Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
her und entschied schließlich, sich der Zü anzuvertrauen.
» Du hast doch gesagt, die alten Götter hätten sich nicht für die Vergangenheit interessiert. Allerdings seien sie die Einzigen gewesen, die alles über die Gegenwart wussten.«
» Ja, so war es in der alten Zeit«, bestätigte Zejabel. » Durch den Zustand der Entsinnung waren die Unsterblichen in der Lage, zu jedem Zeitpunkt die Gedanken aller Menschen zu lesen. Meines Wissens hatte kein Sterblicher je diese Fähigkeit. Und ich glaube, das gilt noch heute.«
» Aber wie lassen sich dann die Visionen von Souanne und Guederic erklären?«, wandte Lorilis ein. » Wie kann es sein, dass sie Bilder aus der Gegenwart empfangen?«
Ein Schatten glitt über Zejabels Gesicht. Sie schien nach Worten zu suchen, runzelte die Stirn, zuckte dann aber nur ratlos die Schultern.
Dem jungen Mädchen kam es vor, als wolle Zejabel auf diese Weise eine Lüge vermeiden.
Gegen Abend zog sich der Himmel zu, und über der Küste von Manive ballten sich dunkle Wolken zusammen. Die Erben berieten, ob es nicht ratsamer wäre, den Aufbruch angesichts des drohenden Unwetters zu verschieben, doch die Entscheidung, Anker zu lichten, siegte bald über die Vernunft. Jetzt, wo sie ein neues Ziel vor Augen hatten, wollten sie keine Zeit mehr verlieren. Außerdem war die Gefahr von Piratenangriffen geringer, wenn sie bei Nacht übers Meer segelten. So entfernte sich die Wasserratte im letzten Licht des Tages von dem Hafen, der ihr ein paar Dekanten lang Zuflucht geboten hatte.
Die Rast war zu kurz gewesen, als dass die Erben zur Ruhe hätten kommen können, und Najel hatte kaum etwas davon gehabt, weil er die meiste Zeit geschlafen hatte. Melancholisch betrachtete er die immer größer werdenden Wellen, die sich am Rumpf der Wasserratte brachen. Seine Begegnung mit Usul hatte ihn stärker mitgenommen, als er es den anderen gegenüber zugeben wollte. Die düsteren Prophezeiungen des Dämons gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Obwohl er sich einzureden versuchte, dass nichts von alledem unausweichlich war, stiegen vor seinem geistigen Auge immer neue grauenvolle Szenarien auf, in denen die Erben einander die Köpfe einschlugen, während die Welt unaufhaltsam auf ihren Untergang zusteuerte.
Obwohl er sich einsam fühlte, wollte der junge Wallatte nicht zu den anderen hinuntergehen, die in der Kombüse zusammensaßen. Er hatte sich freiwillig für die erste Wache an Deck gemeldet und wollte sich jetzt keine Blöße geben. Vor allem nicht nach dem Mu’grom, bei dem Maara ihn gezwungen hatte, seine Gefährten zu verraten. Najel war daran gelegen, sein Ansehen wiederherzustellen und den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken. Mehr konnte er nicht tun, um Usuls Vorhersagen abzuwenden.
Kaum zwei Dezimen nachdem sie den Anker gelichtet hatten, setzte ein gleichmäßiger Eisregen ein. Najel stellte sich unter das Schutzdach neben dem Steuerrad und überlegte, ob er noch ein paar Segel einholen solle. Doch das Schiff war ohnehin schon nicht sehr schnell. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als Damián an Deck kam und nach dem Rechten sah. Er erkundigte sich nach seinem Wohlbefinden, und Najel log, um ihn nicht zu beunruhigen. Als Damián mit seinem grauen Umhang über dem Kopf wieder unter Deck verschwunden war, fragte sich der junge Mann, warum das Schicksal ihn wohl hierher verschlagen hatte, weit weg von seiner Heimatstadt Wallos, auf dieses Schiff, das im Regen über das finstere Meer segelte.
Eine weitere Dezime verging, aber der Regen hörte nicht auf. Zumindest hatte sich der Wellengang etwas beruhigt und anders als Najel befürchtet hatte, war kein Sturm aufgekommen. Er fand, dass er seine Pflicht erfüllt hatte, und beschloss, unter Deck gehen, um sich ablösen zu lassen.
Da sah er in der Ferne ein Segelschiff.
Schon seit einer ganzen Weile hatte er hinter der auf und ab schaukelnden Reling einen winzigen hellen Punkt bemerkt. Erst hatte er ihn für das Licht eines weit entfernten Leuchtturms im Schönen Land gehalten. Zusammengekauert unter seinem Mantel, vom hartnäckigen Regen durchnässt und in Gedanken versunken, hatte er sich nichts weiter dabei gedacht.
Doch als er jetzt den Kopf hob, sah er sofort, dass es sich um die Laternen eines großen Schiffs handelte. Der Segler sah genauso aus wie der, der schon ein paar Tage zuvor ihren Weg gekreuzt hatte. Vielleicht war es sogar dasselbe Schiff, das in der Nacht, als die Erben Sombres Grab geöffnet hatten, vor der Insel Ji
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