Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
Blick erinnerte Lorilis stark an das Feuer, das in den Augen ihrer Mutter glühte, wenn sie sich vor die Ihren stellte, um sie zu schützen. Der Zü, die von allen Gefährten die Älteste war, lag die Sicherheit ihrer neuen Schülerin offenbar sehr am Herzen, ebenso wie das Wohl aller Passagiere an Bord, waren es doch die Kinder ihrer engsten Freunde. Wer konnte Zejabels Schmerz ermessen, die sich die Schuld für ihr Verschwinden gab?
» Ich werde vorsichtig sein«, versprach Lorilis ernst. » Keine Übungen, wenn du nicht dabei bist, um mich zu überwachen!«
» Sagen wir lieber, um dich zu unterstützen. Aber erzähl mir noch ein bisschen mehr darüber, wie du die Energie umleitest. Gebrauchst du dazu auch die Ströme, die von deinem eigenen Körper ausgehen? Oder nur die der anderen?«
Lorilis dachte einen Moment nach, konnte die Frage aber nicht beantworten. Doch sie wusste genau, worauf Zejabel hinauswollte.
» Es ging immer so schnell. Ich glaube, ich habe sämtliche Ströme in meiner Reichweite benutzt, ganz gleich, woher sie kamen. Was glaubst du, was besser ist?«
» Das musst du selbst herausfinden. Wahrscheinlich ist es anstrengender für dich, die Energie zu nutzen, mit der du nicht direkt in Verbindung stehst. Dafür ist es vermutlich weniger gefährlich. Vielleicht ist es aber auch genau andersherum. Das kannst du nur herausfinden, indem du es ausprobierst. Und vielleicht lässt sich durch die richtige Wahl der Ströme auch der Rückstoß mindern. Das wäre ein großer Erfolg und würde dir viele Möglichkeiten eröffnen …«
Sie dachte einen Augenblick nach, kniff dann die Augen zusammen und fuhr fort: » Wie gelingt es dir, aus diesem Netz von Energieströmen etwas über die Vergangenheit zu erfahren? Was spürst du in diesem Augenblick?«
Lorilis zuckte zusammen, ihr wurde unbehaglich zumute. Nur zweimal hatte sie ihre Fähigkeit bisher dazu genutzt, in die Vergangenheit zu sehen, und jedes Mal hatte sie den anderen zumindest einen Teil der Wahrheit vorenthalten. Beim ersten Mal hatte sie das Schiff ihrer Eltern in Flammen gesehen, woraus sie geschlossen hatte, dass es für sie keine Rettung gab. Aber sie hatte sich aus der Vision zurückgezogen, um nicht ihren Tod mit ansehen zu müssen. Beim zweiten Versuch war sie der Geschichte eines Pergaments gefolgt, von seiner Entstehung bis zu dem Augenblick, als Amanón verschlüsselte Zeichen daraufschrieb. Als sie den anderen davon erzählt hatte, hatte sie ihnen etwas Wichtiges verschwiegen: Sie war sicher, nicht nur in die Vergangenheit sehen zu können, sondern auch in die Zukunft.
» Es gibt Ströme«, erklärte sie, » die nicht aus Energie bestehen und schwieriger zu erkennen sind. Aber hat man sie erst einmal entdeckt, ist es leicht, ihrer Spur zu folgen. Im Gegensatz zu den anderen verlaufen sie nämlich senkrecht. Es sieht aus, als würden sie im Boden verschwinden, und man kann sie … lesen, rückwärts in die Vergangenheit eintauchen, als würde man ein Buch von hinten nach vorne durchblättern.«
» Du liest sie einfach?«, fragte Zejabel verblüfft. » Sonst musst du nichts tun?«
Das junge Mädchen schüttelte den Kopf und war erleichtert, dass die Zü nicht weiterbohrte. Tausende andere, noch viel dünnere senkrechte Strahlen gingen von den Wesen und Gegenständen aus, die auf der Erde weilten, doch diese verliefen gen Himmel und führten zweifellos in die Zukunft. Früher oder später musste Lorilis ihren Gefährten davon erzählen, doch sie wollte noch eine Weile damit warten. Sie wusste genau, dass die anderen sie drängen würden, die Zukunft zu erforschen, und das wollte sie so lange wie möglich hinauszögern.
» Ich verstehe immer noch nicht, warum du gestern fast erstickt wärst«, sagte Zejabel in diesem Moment. » Vielleicht unterbricht die Reise in die Vergangenheit die Verbindung zwischen deinem Geist und deinem Körper. Deine Körperfunktionen verlangsamen sich, du vergisst zu atmen, und im schlimmsten Fall könnte sogar dein Herz stillstehen. Bevor wir es genauer wissen, solltest du diese Übung vorerst vermeiden.«
» Gern!«, stieß Lorilis erleichtert hervor.
Bei der nüchternen Aufzählung der Gefahren war es ihr eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Diese Begleiterscheinungen ihrer magischen Kräfte waren beängstigender als alles andere, und Lorilis wollte lieber nicht daran erinnert werden.
Nun kam ihr wieder in den Sinn, worüber sie vor einiger Zeit mit Zejabel gesprochen hatte. Sie überlegte hin und
Weitere Kostenlose Bücher