Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
Turm auf einem Platz befand, der von prächtigen Wohnhäusern umgeben war. Aber sie waren schon an drei Orten vorbeigekommen, auf die diese Beschreibung passte, und wie es aussah, gab es noch dreißig weitere solcher Plätze.
Was die Sache noch erschwerte, war die Tatsache, dass der obere Teil des Turms bis auf die Grundmauern abgebrannt war. Womöglich hatten die Rominer an seiner Stelle ein anderes Gebäude errichtet. Sie könnten also die ganze Nacht suchen und immer wieder an der Ruine vorbeilaufen, ohne es überhaupt zu merken. Diese Vorstellung frustrierte Souanne ungemein. Andererseits hatte sie aber auch schreckliche Angst davor, in den Turm hinabzusteigen. Schon beim Gedanken an den unterirdischen Gang der Burg, auf der Josion aufgewachsen war, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Aber sie waren ihrem Ziel so nah, und Damián hatte ihnen so viel Hoffnung gemacht, dass sie jetzt nicht einfach aufgeben konnten.
Nachdem sie zwei weitere Dezimen umhergeirrt waren, verfinsterten sich die Mienen der Erben zusehends, und Angst vor dem Scheitern machte sich breit. Sie standen kurz davor, einen Einheimischen nach dem Weg zu fragen, obwohl sie eigentlich jeden Kontakt hatten vermeiden wollen. Allerdings hatten sich die Rominer regelrecht in ihren Häusern verschanzt, und die Fensterläden waren so massiv, dass kaum Licht nach außen drang. Außer den Erben war niemand sonst auf der Straße unterwegs.
» Geben wir auf«, stöhnte Guederic schließlich. » Von dem Turm ist nichts mehr übrig. Er ist doch schon vor fünfzig Jahren abgebrannt. Wir verschwenden hier nur unsere Zeit.«
» Noch ein wenig Geduld«, bat Damián. » Wenn wir schon einmal hier sind, sollten wir nichts unversucht lassen.«
So liefen die Erben noch zwei Dezimen lang weiter im Licht ihrer Laternen durch die Straßen, aber Mut und Hoffnung sanken stetig. Die Altstadt von Romin war voller Plätze, die von Palästen gesäumt waren, aber auf ihnen befanden sich nur Springbrunnen oder die Denkmäler längst vergessener Berühmtheiten.
Souannes Enttäuschung wurde immer größer. Sie waren ihrem Ziel so nah. Alles, was ihnen fehlte, war eine Antwort, eine Richtung, ein winziger Hinweis! Die Legionärin war nie besonders gläubig gewesen, aber nach den Erfahrungen der letzten Dekaden hätte sie in diesem Augenblick jeden Gott angebetet, der ein offenes Ohr für sie gehabt hätte. Wo befand sich nur dieser vermaledeite Turm? Alles, was sie wollte, war ein Zeichen.
Und dann, auf einmal … wusste sie es.
Plötzlich erschien ihr der Weg so klar wie der Unterschied zwischen links und rechts. Es war, als hätte sie ihn schon immer gekannt und bis zu diesem Zeitpunkt einfach nur vergessen. Diese Erkenntnis war so seltsam und beängstigend, dass Souanne mehrere Dezillen lang nicht wagte, den anderen davon zu erzählen. Sie lief einfach nur schweigend neben ihnen her und kämpfte gegen den Schwindel an, den dieses Gefühl verursachte. Doch als Damián ihnen eine falsche Richtung wies, konnte sie nicht länger schweigen.
» Nicht dort entlang. Wir müssen hier lang«, verkündete sie mit zitternder Stimme.
Die Erben blieben wie angewurzelt stehen und konnten ihre Überraschung nicht verhehlen. Vermutlich warteten sie auf eine Erklärung. Alle – außer Zejabel. Die Zü sah Souanne tief in die Augen, lächelte flüchtig und forderte die Legionärin dann mit einer Handbewegung auf voranzugehen. Souanne gehorchte, mit einer Mischung aus freudiger Erregung und Angst. Woher kannte sie die Markthallen, die sie gerade durchquerten, die Gässchen und jenes Adler-verzierte Gewölbe? Wie hatte sie erahnen können, dass sich hinter jener Mauer aus Gebäuden ein quadratischer Platz verbarg? Durch Zufall hätten die Erben ihn niemals entdeckt. Dazu brauchte es … ein kleines Wunder.
Wie im Fieber lief Souanne direkt auf die Mitte des Platzes zu. Hier gab es weder einen Springbrunnen noch einen öffentlichen Waschplatz noch das Denkmal eines ruhmreichen Generals. Der Platz war leer und vollständig gepflastert, bis auf eine graue Steinplatte mit einem Ring in der Mitte, der wohl dazu gedient hatte, die Platte dort abzulegen.
» Hier ist er«, sagte Souanne, ohne zu zögern. » Hier ist der Zugang zum Tiefen Turm.«
Plötzlich begann sie heftig zu zittern. Irgendwo dort unten befand sich die Pforte zur Welt der Dämonen.
Lorilis zog sich den Mantel enger um die Schultern und knöpfte ihn dann bis oben hin zu. Ihr war zwar nicht kalt, aber sie hatte plötzlich
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