Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
um Politik als um ethekische Geschichte ging. Seufzend beschloss er, sie beiseitezulegen und sich einem anderen Teil von Amanóns Aufzeichnungen zuzuwenden. Die Entscheidung fiel ihm schwer, denn es kam ihm vor, als würde er die Arbeit seines Vaters nicht genügend würdigen. Außerdem lag es nicht in seiner Natur, Angefangenes nicht zu Ende zu bringen. Doch die Zeit drängte. Die Erben brauchten dringend einen Anhaltspunkt, und dieser verbarg sich vielleicht in einem der anderen Hefte. Damián musste nur das richtige Manuskript in die Finger bekommen.
Spontan beschloss er, die Entscheidung dem Zufall zu überlassen. Er zog mehrere Manuskripte aus seinem Rucksack: Es waren lose Seiten, Hefte und in Leder gebundene Bücher. Damián breitete sie wahllos auf seiner Pritsche aus. Dann stand er auf, schloss die Augen, drehte sich einmal um die eigene Achse und zeigte mit dem Finger auf die Pritsche. Das musste ziemlich albern aussehen, doch zum Glück schliefen die anderen tief und fest. Auf diese Weise fiel seine Wahl auf ein Manuskript, das an die sechzig Seiten umfasste. Missmutig verzog er das Gesicht: Er hätte lieber mit einem kürzeren Text weitergemacht. Doch er war fest entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen, und so machte er sich eifrig an die Arbeit.
Als Zejabel ihm einen Dekant später vorschlug, ihn abzulösen, damit er etwas schlafen konnte, lehnte er ab. Er hatte eine höchst interessante Entdeckung gemacht.
Als Guederic die Augen aufschlug, war Josion bereits auf den Beinen, und auch Maara und Souanne saßen längst am Tisch und nippten an einem Becher Milo, einem traditionellen arkischen Getränk. In einer Blechdose hatten sie etwas von dem Pulver aus gemahlenen Nüssen gefunden, mit dem man den Tee aufbrühte. Allerdings war Guederic der Erste, der sich vor die Tür wagte und ein paar Schritte durch den Schnee lief. Allmählich entwickele ich mich zum einsamen Wolf, dachte er bitter. Sein Bedürfnis nach Einsamkeit wuchs mit jedem Tag.
Dennoch musste er unwillkürlich lächeln, als er den Kopf in den Nacken legte und den wolkenlosen Morgenhimmel betrachtete. Der Tag versprach schön zu werden. Wenn Crek tatsächlich nur noch wenige Dekanten Fußmarsch entfernt war, wie Lorilis es versprochen hatte, würden die Gefährten bald in Sicherheit sein.
Zwar wünschte sich Guederic nichts sehnlicher, aber so richtig freuen konnte er sich trotzdem nicht. Bald würden die Ruhe und der Frieden, die er in diesem Moment empfand, wieder vorbei sein, und es fiel ihm immer schwerer, sich von den Schlägen zu erholen, die das Schicksal für die Erben bereithielt. Die durchzechten Nächte und Raufereien, die sein altes Leben in Lorelia bestimmt hatten, waren nichts gegen das, was er in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Damals hatte er nicht das Gefühl gehabt, dass die Dinge aus dem Ruder liefen, aber jetzt erkannte er sich kaum wieder.
Am meisten litt er darunter, dass er sich niemandem anvertrauen konnte. Nicht einmal sein eigener Bruder sah, was mit ihm los war – oder wollte es nicht sehen. Maara wiederum schmollte aus unerfindlichen Gründen und würdigte ihn seit Tagen keines Blickes. Dabei sehnte sich Guederic so sehr nach der Gesellschaft der Kriegerin, die alle mit ihrer Lebenslust und Leidenschaft antrieb. Doch er hatte offenbar das Recht auf ihre Zärtlichkeit verspielt – vielleicht für immer.
Selbst Souanne, die sein rätselhaftes Schicksal teilte, hatte sich von ihm entfernt und suchte nicht länger seine Freundschaft. Oder kam es ihm nur so vor, und in Wirklichkeit war er derjenige, der sich von ihr fernhielt? Jedenfalls sorgten die Veränderungen, die sie beide durchliefen, offenbar dafür, dass sie sich in entgegengesetzte Richtungen entwickelten. Er gierte immer noch danach, seine Feinde zu töten, um ihre Seelen in sich aufnehmen zu können. Sie hingegen hatte in den letzten Tagen mehrere Erleuchtungen gehabt, die den Erben jedes Mal eine große Hilfe gewesen waren. Souanne hatte unglaubliche Stärke bewiesen: Selbst die Gespenster hatten ihr nichts anhaben können. Guederic wiederum hatte sich ihnen geradewegs in die Arme geworfen, angelockt von den betörenden Rufen der Sirenen, denen er nicht hatte widerstehen können. Am liebsten wäre er sogar für immer in der Finsternis des Tiefen Turms geblieben. Was wäre aus ihm geworden, wenn die Sirenen ihn nicht gefangen genommen hätten? Erst da war er wieder zur Besinnung gekommen und hatte endlich Angst empfunden. Wäre er sonst zu
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