Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
den Bergen gefangen sein, in jenem Teil des Dara, der in der bekannten Welt liegt. Ganz so, wie die Undinen in den Ruinen von Romerij gefangen sind. Sonst wüsste ich nicht, was wir hier überhaupt machen!«
Als er merkte, wie scharf seine Worte geklungen hatten, verstummte er. Eigentlich hatte er sich in erster Linie selbst überzeugen wollen.
» Wenn die Undinen und Nol so eng miteinander verbunden sind, ist er vielleicht auch gestorben, als seine grausige Schwester den Tod fand!«, warf Maara ein.
Josion zuckte mit den Schultern, und Damián runzelte die Stirn. An diese Möglichkeit hatte er auch schon gedacht …
» Und wenn wir nicht mal seine Leiche finden?«, fuhr die Kriegerin fort. » Wir könnten durch das Tal laufen, in dem sich das Dara einst befand, ohne es zu merken, und ewig vergeblich weitersuchen.«
» Ich bin mir sicher, dass ich das Tal wiedererkennen würde«, versicherte Zejabel. » Es ist kein Ort wie jeder andere.«
» Aber jetzt sieht es vielleicht ganz anders aus«, entgegnete Damián. » Das Tal ist sicher längst nicht mehr so idyllisch. Vermutlich ähnelt es zwanzig, dreißig oder sogar hundert anderen Tälern im Rideau.«
» Aber in der Mitte muss eine Pforte stehen«, wandte Josion ein. » Ich wüsste nicht, wie Nol die Zerstörung seiner Welt sonst überlebt haben sollte.«
» Da hast du recht«, pflichtete ihm Damián bei.
Und dabei ließ er es bewenden. Josion konnte sich denken, was seinem Cousin durch den Kopf ging: Wozu sich über Nols Schicksal den Kopf zerbrechen, wenn er ihnen doch alles erzählen könnte, wenn sie ihn erst einmal gefunden hatten.
Falls sie ihn fanden …
Die Gefährten fingen an, sich über belanglosere Dinge zu unterhalten, wie die Kühle der Nachtluft oder die Rufe der Raubvögel in der Ferne. Irgendwann wickelten sie sich in ihre Decken und legten sich ans Feuer. Lorilis war so müde, dass selbst der schlimmste Alptraum sie nicht aus dem Schlaf reißen konnte, und so verbrachten die Erben eine verhältnismäßig ruhige Nacht.
Bis zum neunten Dekant.
Es war noch finstere Nacht, als Josion eine Hand auf der Schulter spürte. Er fuhr hoch, packte seinen Zarratt und wollte schon zustechen, als er seine Mutter erkannte. Zejabel legte einen Finger an die Lippen. Mit einer kleinen Geste forderte sie ihn auf zu lauschen.
Im ersten Moment hörte er nichts. Im Nachtlager war es ruhig, und die anderen schliefen um das heruntergebrannte Feuer herum. Doch Zejabel hätte ihn nicht grundlos geweckt, das wusste er. Josion verscheuchte die Müdigkeit und konzentrierte sich auf die Dunkelheit, die ihn umgab. Da hörte er es: leise Schritte, die sich ihrem Lager näherten.
Es war schwierig, in der Finsternis die Entfernung abzuschätzen, aber der Unbekannte war in jedem Fall ganz in der Nähe – oder waren es sogar mehrere? Während seine Mutter ihm Handzeichen gab, kamen Josion die nächtlichen Übungen seiner Kindheit in den Sinn. Aber ihre Zeichen waren überflüssig: Er wusste selbst, was zu tun war. Rasch rollte er sich aus dem Lichtschein des Feuers in die Dunkelheit, richtete sich lautlos auf und lief einen weiten Bogen. Zejabel hingegen blieb in der Nähe des Feuers hocken. Sie wandte der Richtung, aus der die Schritte zu hören waren, absichtlich den Rücken zu. Falls der Angreifer nicht gemerkt hatte, dass einer der Schlafenden fehlte, sollte er sich unentdeckt glauben …
Der nächste Schritt war der schwierigste: Josion war seinem Ziel mittlerweile nahe genug, um erkennen zu können, dass es sich um einen Mann handelte, der in der Nähe des Nachtlagers umherstreifte. Immerhin schien er allein zu sein. Um herauszufinden, was der Fremde vorhatte, gab es nicht viele Möglichkeiten: Josion stürzte sich auf ihn und warf ihn zu Boden.
Zejabel sprang sofort auf und sprintete auf sie zu, während Josion Schwierigkeiten hatte, seinen Gegner festzuhalten. Der Fremde war zwar unbewaffnet und schien auch kein erfahrener Kämpfer zu sein, verhielt sich aber wie ein tollwütiges Tier: Er schlug wild um sich, verteilte ziellos Fußtritte und bäumte sich auf. Mal versuchte er, Josion eine Kopfnuss zu versetzen, mal biss er mit aller Kraft zu. Als Josion aus mehreren Wunden blutete, musste er einen seiner Griffe lockern. Der Fremde nutzte die Gelegenheit, um sich loszureißen und die Flucht zu ergreifen.
Mittlerweile waren Josions Gefährten aufgewacht und kamen angerannt. Doch sie hörten nur noch die sich hastig entfernenden Schritte des Fremden, deren Echo
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