Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
von den Berghängen widerhallte. Trotz der Dunkelheit und des holprigen Bodens legte der Mann eine halsbrecherische Geschwindigkeit vor.
» Verfolgen wir ihn?«, fragte Maara.
Damián zögerte kurz.
» Nein. Er scheint sich hier gut auszukennen. Wir haben keine Chance, ihn in der Dunkelheit wiederzufinden. Außerdem haben wir ihm einen gehörigen Schreck eingejagt. Ich glaube nicht, dass er sich so schnell wieder herwagt.«
» Aber was wollte der Mann?«, fragte Lorilis besorgt. » Und wo kam er her?«
Der Biss an Josions Handgelenk schmerzte heftig. Er hätte fast geantwortet: ›aus dem Nichts‹, besann sich dann aber eines Besseren. Er wollte dem Mädchen nicht noch mehr Angst einjagen.
Während drei der Erben Wache hielten, wickelten sich die anderen wieder in ihre Decken und legten sich ans Feuer. Doch Souanne machte kein Auge mehr zu. Sie hätte wirklich nichts gegen einen weiteren Dekant Schlaf einzuwenden gehabt, aber sie fand einfach keine Ruhe. Nicht nach dem, was soeben geschehen war.
Die Graue Legionärin musste sich eingestehen, dass der Vorfall sie zutiefst erschüttert hatte. Mitten in der Nacht hatte sich in einer völlig verlassenen Gegend ein Fremder an ihr Lager herangeschlichen – es brauchte nicht viel Fantasie, um sich die schlimmsten Dinge auszumalen. Würde der Mann zurückkommen? Vielleicht sogar mit einer Horde Begleiter? Oder würden die Kerle den Erben eine tödliche Falle stellen? Womöglich lösten sie gerade in diesem Moment am Berghang eine Steinlawine aus, um sie darunter zu begraben!
Selbst die Tatsache, dass drei ihrer Gefährten Wache hielten, konnte Souanne nicht beruhigen. Der Vorfall hatte ihr wieder ins Gedächtnis gerufen, welche Fragen sie seit Tagen quälten, und obwohl sie sich nicht sinnlos den Kopf zerbrechen wollte, konnte sie jetzt an nichts anderes mehr denken. Vor allem die mögliche Wiedergeburt der Götter und Dämonen machte ihr zu schaffen. Souanne war völlig verunsichert und wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Welche von Amanóns Vermutungen trafen nun zu und welche nicht? Und wie war sie in die ganze Sache verwickelt?
Natürlich hatte sie keine Antwort auf diese Fragen, heute nicht mehr als in den letzten Tagen. Erst als die Sonne aufging, ging es Souanne etwas besser. Im fahlen Morgenlicht weckte Damián die Gefährten, die noch schliefen, und forderte sie auf, so schnell wie möglich ihre Sachen zusammenzupacken. Es hatte zwar keinen weiteren Zwischenfall gegeben, aber es wäre unvorsichtig, länger an einem Ort zu bleiben, an dem sich jemand an sie herangeschlichen hatte.
Souanne wartete ungeduldig darauf, dass es weiterging. Der anstrengende Fußmarsch würde sie wenigstens von ihren düsteren Gedanken ablenken. So liefen die Gefährten nach einer recht kurzen Nacht bald wieder am Fuß der Berge entlang. Souanne hielt jetzt nicht mehr nur nach Schriftzeichen der alten Etheker Ausschau, sondern auch nach einem Hinterhalt, in dem ihnen der nächtliche Angreifer auflauern könnte.
Je höher die Sonne stieg, desto sicherer fühlten sich die Erben. Sie kamen zu dem Schluss, der nächtliche Besucher sei nur ein Verrückter gewesen, der ohne böse Absichten durch die Gegend irrte, ein einfältiger junger Mann wie der, den sie in Crek gesehen hatten. Dieser Gedanke beruhigte Souanne: Hauptsache, er war nicht der Kundschafter einer Mörderbande. Allerdings setzte ihr die Erinnerung an den armen Tropf in Arkarien zu. Wo er jetzt wohl war? Kurz kam ihr der Gedanke, der einfältige junge Mann aus der Herberge in Crek könnte der nächtliche Angreifer gewesen sein, aber das war natürlich Unsinn. Die Erben waren mit dem Kutter den Fluss hochgesegelt und hatten in wenigen Tagen den halben Kontinent überquert. Unmöglich konnte der junge Mann diesen weiten Weg in seinen löchrigen Stiefeln zurückgelegt haben.
Bald konnte Souanne über etwas sehr viel Greifbareres nachdenken. Da die Erben früh aufgebrochen waren, erreichten sie den Fuß des Gebirgszugs, den Damián auf der Karte umkreist hatte, nach nur drei Dekanten. Jetzt konnte der Aufstieg beginnen. Zum Glück waren die Hänge weniger steil als befürchtet, aber ein Problem gab es noch: Welchen der Berge sollten sie erklimmen?
» Es gibt unzählige Wege hoch zu den Gipfeln«, sagte Guederic mutlos. » Was sollen wir tun?«
Souanne hielt den Kopf gesenkt. Sie spürte die hoffnungsvollen Blicke der anderen, wagte aber nicht, ihnen in die Augen zu sehen. Bisher hatte sie keine Eingebung gehabt,
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