Die Götter von Freistatt
der Hitze und wirkte so unwirklich wie die Nebelschwaden in Enas Yorls Haus, aber der feuchte Atem eines Brunnens kühlte Lalos Wangen. Verwirrt durch die Gegensätze fragte der Maler sich, ob dieser Augenblick oder überhaupt einer während der letzten drei Tage Wirklichkeit war oder nur die Fortsetzung eines Zaubertraums. Aber wenn dem so war, dachte er, als er sich wieder der Weite von Molin Fackelhalters Veranda zuwandte, wollte er nicht aufwachen.
Noch ehe der erste Tag nach seinem Abenteuer sich seinem Ende entgegenneigte, hatte Lalo Aufträge von der Gattin des Hafenmeisters erhalten und von Jordis, dem Steinmetz, den die Arbeit am Tempel für die rankanischen Götter reich machte. Tatsächlich hätte die erste Sitzung heute morgen stattfinden sollen, aber der gestrige Auftrag war vorrangig. So kam es, daß Lalo auf die Ehre eines Einführungsgesprächs wartete, ehe er vielleicht den Auftrag für die Wandgemälde in Molin Fackelhalters Festsaal bekam. Er fühlte sich jedoch gar nicht sonderlich wohl in dem abgetragen Samtbeinkleid, das um die Schenkel allzu lose saß und ihn um die Taille kniff. Dazu trug er sein besticktes Hochzeitswams und darunter ein Hemd, das Gilla gestärkt hatte, wodurch es nun bei jeder Kopfbewegung am Hals scharrte.
Eine Tür wurde geöffnet, und Lalo hörte neben dem Plätschern des Springbrunnens leichte Schritte. Eine junge Frau mit kunstvoll hochgestecktem, hellem Haar winkte ihm zu.
»Meine Lady?« fragte er zögernd.
»Ich bin Lady Danlis, die Gesellschafterin der Herrin des Hauses«, sagte sie kurz. »Kommt mit ...«
Ich hätte es wissen müssen, dachte Lalo, nachdem Cappen Varra so lange für sie geschwärmt und nicht aufgehört hatte, ihre Vorzüge zu besingen. Aber das lag schon geraume Zeit zurück. Als er der stolzen Schrittes vor ihm herschreitenden Dame folgte, fragte Lalo sich, welche Vision Cappen Varra veranlaßt hatte, sich in sie zu verlieben, und warum aus ihrer Verbindung nichts geworden war. (4)
Ein überraschter Sklave blickte hoch und machte sich hastig daran, die Lappen und Tiegel mit Bodenwachs aus dem Weg zu räumen, als Danlis Lalo durch eine Tür aus vergoldetem Zedernholz in den Saal winkte. Unwillkürlich blieb Lalo beim Anblick dieser Fülle von Farben und Formen fasziniert stehen. Gemusterte Seidenteppiche lagen auf dem Parkettboden.
Vergoldete Weinranken mit Amethysttrauben schlangen sich um die Marmorsäulen, die die getäfelte Decke stützten, und kunstvoll gewebte Damastbehänge aus Ranke bedeckten die Wände. Blinzelnd schaute Lalo sich um und fragte sich, wo hier noch Platz für Wandgemälde wäre.
»Danlis, Schätzchen, ist das der neue Maler?«
Als er das Rascheln von Seide vernahm, drehte Lalo sich um. Über die Teppiche eilte eine Frau herbei, die ihm wie eine bereits zu weit aufgeblühte Rose gegenüber der mit einer Knospe vergleichbaren Danlis erschien. Eine Leibmagd folgte ihr, und ihr voraus schoß ein langhaariger Hund, der wild kläffte und und die Wachstiegelchen umwarf, die der Sklave zur Seite gestellt hatte.
»Ich bin ja so froh, daß mein Gemahl mir gestattet hat, mich dieser trostlosen Vorhänge zu entledigen -sie sind so bürgerlich und, wie Ihr seht, verschossen!« Atemlos eilte die Lady weiter, und ihre langen, über den Boden schleifenden Röcke warfen die Tiegel, die der Sklave gerade wieder aufgerichtet hatte, erneut um. Die Leibmagd blieb stehen und schalt den Bedauernswerten heftig aus.
»Meine Lady, darf ich Euch Lalo, den Kunstmaler, vorstellen.« Danlis wandte sich an den Mann. »Lalo, dies ist Lady Rosanda. Ihr dürft Euch vor ihr verbeugen.«
»Werdet Ihr lange brauchen, bis Ihr mit Eurer Arbeit fertig seid?« fragte Lady Rosanda. »Ich berate Euch gern - alle loben meinen ausgezeichneten Geschmack. Ich denke mir oft, daß ich eine begnadete Künstlerin hätte werden können - wäre ich in eine andere Gesellschaftsschicht geboren, natürlich ...«
»Lord Molins Stellung erfordert einen passenden Rahmen«, erklärte Danlis, als ihre Herrin eine Atempause einlegen mußte. »Nach den anfänglichen -Schwierigkeiten macht der Bau des Tempels nun gute Fortschritte. Selbstverständlich wird seine Vollendung entsprechend gefeiert werden. Da es nicht richtig wäre, im Tempel ein weltliches Fest abzuhalten, muß es in einer Umgebung veranstaltet werden, die gebührend erkennen läßt, welchem Genie das große Werk zu verdanken ist, das Freistatts Ansehen im Reich sichern wird.«
Lady Rosanda starrte ihre
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