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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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wie einen schmelzenden Eiszapfen in der Menschenmenge stehen. Als er die Goldallee überquert hatte und in den Stahlkorridor einbog, gestattete Lalo sich einen unauffälligen Luftsprung.
    »Nicht nur meine Füße sind verzaubert«, sagte er laut zu sich, »auch mein ganzes Leben! Der Segen aller Götter von Ranke und Ilsig für Enas Yorl!«
    Die Sonne machte die getünchten Mauern um ihn noch weißer und spiegelte sich auf den Schwertern, Dolchen und Rüstungen, die die Waffenschmiede hier ausgestellt hatten. Doch dieses Funkeln und Glitzern um ihn blendete Lalo weniger als die Zukunft, die er sich in seiner Phantasie ausmalte. Er würde mit seiner Familie nicht nur ein sorgenfreies Leben führen können, sondern reich und nicht nur geachtet, sondern berühmt werden. Alles, was er sich je gewünscht hatte, lag nun in Reichweite ...
    Taschendiebe beobachteten ihn verstohlen, als er in eine Gasse einbog, aber trotz aller Gerüchte, hing sein Beutel schlaff vom Gürtel, so zogen sie sich zurück, ohne daß er sie überhaupt bemerkt hatte. Jemand rief seinen Namen, als er an den bescheideneren Läden nahe den Lagerhäusern vorbeiging, aber Lalo war so in seine rosigen Gedanken versunken, daß er es nicht hörte.
    Erst als er bereits die Uferpromenade erreichte, die am Hafen entlangführte, wurde ihm klar, daß Farsi, der Kupferschmied, ihn gerufen hatte. Farsi hatte ihm Geld geliehen, als Gilla nach der Geburt ihres zweiten Kindes krank geworden war. Er überlegte, ob er umkehren solle, aber gewiß konnte er Farsi ein andermal besuchen. Im Augenblick war er wirklich zu beschäftigt.
    Pläne für den neuen Auftrag nahmen Form an. Ihm war etwas eingefallen, das den Rest der Ausstattung von Molins Haus übertreffen würde, ohne so geschmacklos zu sein. Farben, Einzelheiten, das Zusammenspiel von Linien und Flächen schoben sich vor sein inneres Auge wie ein bemalter Schleier.
    So viel würde von den Modellen abhängen, die er für die Figuren seiner Wandgemälde fand! Sabellia und ihre Nymphen mußten von einer Schönheit sein, die zugleich das Auge erfreute und die Phantasie auf reine Weise anregte, die sowohl majestätisch als auch unschuldig wirkte.
    Lalo rutschte auf einem Fischkopf aus. Wild schlug er mit den Armen um sich, bis er sich wieder gefangen hatte, dann blieb er keuchend stehen und blinzelte in die grelle Sonne.
    »Und wo soll ich solche Nymphen in Freistatt finden?« fragte er sich laut. »Hier, wo Mütter ihre Töchter an Hurenhäuser verkaufen, kaum daß sich ihr Busen entwickelt?« Selbst die Mädchen, die sich äußerlich etwas wie Schönheit bewahrt hatten, waren innerlich verderbt. Bisher waren seine Modelle Straßensängerinnen gewesen, und in Abendsitzungen Mädchen, die sich tagsüber einen geringen Lohn als Weberinnen verdienten. Nun würde er sich jedoch anderswo umsehen müssen.
    Seufzend wandte er sein Gesicht dem Meer zu. Hier war es etwas kühler, und der umschlagende Wind brachte den frischen Salzgeruch der See mit sich, der jedoch den von verwesendem Fisch nicht verdrängen konnte. Das blaue Wasser glänzte wie das Auge einer Jungfrau.
    Eine Frau mit einem Kind auf den Armen winkte ihm zu. Nach kurzem Überlegen erkannte Lalo Valira, die hier mit ihrem Baby ein wenig den Sonnenschein genießen wollte, ehe es Zeit für sie war, zum Hafen zurückzukehren und ihrem Gewerbe unter den Seeleuten nachzugehen. Sie hob das Kleine hoch, damit er es sehen konnte, und er bemerkte erschrocken an ihren dünnen Armen, daß sie eigent lich selbst noch ein Kind war, trotz der bemalten Augen und der Glasperlen, die in ihrem hennagefärbten Haar glitzerten. Sie war eine Spielgefährtin seiner ältesten Tochter gewesen, und er erinnerte sich gut, wie oft sie zum Abendessen bei ihnen geblieben war, weil es bei ihr zu Hause nichts zu beißen gegeben hatte.
    Er wußte auch, daß sie zu diesem Gewerbe gekommen war, nachdem ein Matrose ihr Gewalt angetan hatte, und daß die Armut sie zwang, dabeizublei ben, aber er fühlte sich unbehaglich bei ihrem herzlichen Gruß. Zwar hatte sie ihr Geschick nicht selbst bestimmt, doch nun kam sie nicht mehr davon los.
    Irgendwie verdüsterte die Begegnung mit ihr das helle Bild, das er sich von der Zukunft gemacht hatte.
    Lalo winkte zurück und eilte weiter, zugleich erleichtert und beschämt, weil sie ihn nicht aufhielt.
    Er hastete wieder den Breitenweg entlang, vorbei am Hafen, in dem Schiffe aus fernen Ländern angelegt hatten und an ihrer Muring zu zerren schienen wie das

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