Die Götter von Freistatt
wissen, was ich dafür gäbe, wäre ich imstande zu tun, worum Ihr mich bittet.«
Der Zauberer lächelte. Seine Gestalt verwandelte sich erneut, ging auseinander, und die glühenden Augen sogen Lalos Bewußtsein auf. Ich werde Euch die Vision zeigen, und Ihr malt sie hörte Lalo in seinem Kopf, dann wußte er nichts mehr.
Die Stille der Stunde vor dem Morgengrauen erfüllte den Raum, als Lalo sich seiner wieder bewußt wurde. Das Mädchen Jarveena lag mehr, als daß sie in ihrem Sessel saß, und schlief offenbar. Lalos Rücken und Schultern schmerzten. Er streckte die Arme aus und bog die Finger, um die Verkrampfung zu mildern, erst dann fiel sein Blick auf die Leinwand vor ihm.
Habe ich das gemalt? Sein erster Gedanke war der, den er von einigen vorherigen Malen kannte, als Hand und Auge ungewöhnlich gut zusammengearbeitet hatten und er nach anstrengender Arbeit, die ihn alles hatte vergessen lassen, zu sich gekommen war, und erkannte, daß er es nahezu geschafft hatte, die erblickte Schönheit auf die Leinwand zu bannen. Aber dies - ein Gesicht mit feingeformter Nase und sanftgeschwungenen Brauen, das von seidig glänzenden Wellen eingerahmt war; ein schlanker Körper mit vollendeten Rundungen, dessen honigfarbige Haut schimmerte wie die Perlen auf dem Boden, und dessen feste Brüste mit Knospen von dunklem Rosa gekrönt waren -, dies war die Schönheit!
Lalo blickte von dem Bild auf das Mädchen im Sessel. Er weinte, weil er jetzt nur verschwommene Andeutungen von Schönheit in ihr sehen konnte, und weil er wußte, daß die Vision ihn durchdrungen hatte, wie Licht eine Fensterscheibe, und er jetzt wieder im Dunkeln war.
Jarveena regte sich, gähnte und öffnete ein Auge. »Ist er fertig? Ich muß gehen - die Esmeralda läuft mit der ersten Flut aus.«
»Ja«, antwortete Enas Yorl. Seine Augen leuchteten stärker denn je, als er die Staffelei so drehte, daß sie das Bild sehen konnte. »Meine Magie steckt jetzt in diesem Gemälde«, erklärte er. »Nimm es mit, und schau es an, so, als würdest du in einen Spiegel blicken. Mit der Zeit wird es zum Spiegel werden, und alle werden deine Schönheit sehen, wie ich sie immer gesehen habe ...«
Zitternd vor Erschöpfung und Trauer über den Verlust, setzte Lalo sich auf den Boden. Er hörte das Rascheln von des Zauberers Gewand, als dieser seine Herzensdame umarmte, und nach einer Weile die Geräusche, als das Gemälde von der Staffelei genommen wurde, und danach Jarveenas Schritte und das Schließen einer Tür.
»Es ist vollbracht ...« Des Zauberers Stimme klang körperlos, wie das Säuseln des Windes durch dürre Blätter. »Wollt Ihr jetzt Eure Bezahlung?«
Lalo nickte, ohne zu ihm hochzublicken, weil er sich fürchtete, den Körper anzusehen, dem diese Stimme gehörte.
»Was soll es sein? Gold? Die hübsche Kette auf dem Boden?« Die Perlen rasselten.
Ja, ich werde das Gold nehmen, dann werden Gilla und ich fortgehen und nie wieder hierher zurückkommen ... Diese Worte wollten sich schon über Lalos Lippen drängen, aber sein Traum, all seine Träume schrien in seiner Seele.
»Schenkt mir die Macht, die Ihr mir in dieser Nacht aufgezwungen habt!« Lalos Stimme wurde kräftiger. »Schenkt mir die Macht, die Seele malen zu können!«
Enas Yorls Lachen begann als ein Wispern, wie es dem Sandsturm vorausgeht, wurde jedoch so gewaltig, daß Lalos Körper von den Druckwellen erfaßt wurde. Und dann, nach einer Weile, setzte Stille ein, bis der Zauberer ernst fragte: »Seid Ihr sicher, daß Ihr das wollt?«
Lalo nickte.
»Nun, das ist eine Kleinigkeit, um so mehr, da Ihr bereits - da Euer Wunsch so groß ist. Ich werde noch etwas draufgeben«, fügte er gütig hinzu. »Ein paar Seelen, die Ihr malen könnt, einige Aufträge ...«
Lalo zuckte zusammen, als sich die Hände des Zauberers um seinen Kopf legten. Einen Augenblick schienen alle Farben des Regenbogens in seinem Kopf zu bersten. Als er zu sich kam, stand er an der Tür, mit einem Lederbeutel in der Hand.
»Und die Malerausrüstung ...«, fuhr Enas Yorl fort, als wäre inzwischen nichts geschehen. »Ich habe Euch nicht nur für einen großen Dienst zu danken, den Ihr mir erwiesen habt, sondern auch dafür, daß Ihr mir etwas gegeben habt, was mir freudige Erwartung beschert. Meister Maler, möge Eure Gabe Euch belohnen, wie Ihr es verdient.«
Dann schloß sich die große Messingtür hinter ihm. Lalo stand auf der menschenleeren Straße und blickte in die Morgendämmerung.
Die Wüste flimmerte in
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