Die Götter von Freistatt
Gesellschafterin beeindruckt an, während Lalo sie kaum hörte, denn er überdachte bereits alle Möglichkeiten, die dieser große Raum bot. »Hat Lord Molin sich bereits entschieden, welche Szenen ich malen soll?«
»Falls Ihr den Auftrag bekommt«, betonte Danlis. »Die Göttin Sabellia soll als Erntekönigin mit ihren Nymphen dargestellt werden. Lord Molin will natürlich zuvor Eure Entwürfe sehen.«
»Ich könnte Euch vielleicht für die Göttin Modell stehen ...«, schlug Lady Rosanda vor und drehte eine unwahrscheinlich rote Locke auf der Schulter, während sie sich um eine schelmische Miene bemühte.
Lalo schluckte. »Meine Lady, Ihr seid zu gütig, doch Ihr wißt vielleicht nicht, daß Modellstehen eine ungemein anstrengende Arbeit ist. Ich würde nie wagen, jemanden von Eurer Vornehmheit zu bitten, viele Stunden in unbequemer Haltung und knapper Kleidung auszuharren ...« Sein heimlicher Schrecken wandelte sich in Erleichterung, als die Lady einfältig lächelte. Er malte sich die Göttin voll warmherziger Erhabenheit aus, wie Lady Rosanda sie sich vermutlich nicht einmal vorstellen, geschweige denn dafür Modell stehen könnte. Ein Modell für Sabellia zu finden, würde wohl seine schwierigste Aufgabe werden.
»Nun, da Ihr wißt, worum es geht, könnt Ihr uns sagen, wieviel Zeit Ihr brauchen werdet?«
»Was?« fragte Lalo, der sich zwingen mußte, in die Gegenwart zurückzufinden.
»Wann könnt Ihr uns die Entwürfe bringen?« fragte Danlis scharf.
»Ich muß mir genaue Vorstellungen machen - und die richtigen Modelle finden ...« Er zögerte. »Das wird zwei oder drei Tage dauern.«
»Oh Lalo ...«
Der Maler zuckte zusammen, drehte sich um, und erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er den ganzen Weg von Molin Fackelhalters schwerbewachtem Haus bis hierher in die Straße der Goldschmiede gekommen war, ohne daß er es bemerkt hatte - als stünden seine Füße unter einem Zauber, der ihn heimlockte.
»Mein teurer Freund!« Schnaufend holte Sandol, der Teppichändler, Lalo ein, der ihn verwirrt ansah. Als sie sich das letzte Mal begegnet waren, war er nicht »mein teurer Freund« gewesen, denn Sandol hatte sich geweigert, den vollen Preis für das Porträt seiner Frau zu bezahlen, da sie behauptete, sie sehe darauf fett aus.
»Ich wollte Euch nur sagen, wieviel Freude Euer Gemälde uns macht. Wie es so schön heißt: Ein Kunstwerk ist ein bleibender Genuß! Vielleicht solltet Ihr auch von mir ein Porträt malen, als Gegenstück zu dem meiner Gattin. Was meint Ihr?« Er fuhr sich mit einem großen Taschentuch aus purpurner Seide über die Stirn.
»Nun, ich würde es gern tun - aber ich weiß nicht wann - ich werde vielleicht längere Zeit sehr beschäftigt sein«, antwortete Lalo verblüfft.
»Ja, natürlich ...« Sandol lächelte ölig. »Ich habe gehört, daß Euer Werk bald ein weit vornehmeres Haus als meines zieren wird. Meine Frau sagte erst heute morgen, welch eine Ehre es doch ist, von einem Künstler porträtiert worden zu sein, der Molin Fackelhalters Festsaal mit seinen Wandgemälden schmückt.«
Plötzlich verstand Lalo. Die Neuigkeit über seinen voraussichtlichen Auftrag mußte sich inzwischen in der ganzen Stadt verbreitet haben. Er unterdrückte ein triumphierendes Grinsen, denn er erinnerte sich zu gut, wie sehr er sich hatte erniedrigen müssen, um auch nur einen Teil des ausgemachten Preises für das Porträt von Sandols Frau zu kriegen. Vielleicht sollte er ihn tatsächlich ebenfalls porträtieren - der Teppichhändler erinnerte in seiner Fettleibigkeit nicht weniger an ein Schwein als seine Frau. Die Bilder würden sich nebeneinander gut machen.
»Nun, ich darf noch nicht darüber sprechen«, sagte Lalo mit gespielter Bescheidenheit. »Aber es stimmt, daß man an mich herantrat ... Deshalb fürchte ich, daß die Gelegenheit, dem Vertreter der rankanischen Götter einen Dienst zu erweisen, Vorrang vor geringeren Aufträgen haben muß.« Interessierte Bemerkungen folgten den beiden wie ein Echo die betriebsame Straße entlang. Gehilfen machten ihre Meister auf Lalo aufmerksam, und verschleierte Matronen steckten die Köpfe zusammen, während sie Fingerringe anprobierten.
»Oh, das verstehe ich selbstverständlich«, versicherte ihm Sandol. »Ich bitte Euch ja auch bloß, daß Ihr mich in Erinnerung behaltet ...«
»Ich werde es Euch wissen lassen«, sagte Lalo fast ein wenig von oben herab, »wenn ich Zeit habe.« Er beschleunigte seinen Schritt und ließ den Teppichhändler
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