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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Bastei-Lübbe 20089.

Molin Fackelhalter
Der Tanz der Azyuna
    Lynn Abbey
1
    Er war ein gut aussehender Mann, noch nicht ganz in den mittleren Jahren, mit der Statur eines Soldaten, nicht der eines Priesters. Er betrat den Basarstand von Kul, dem Seidenverkäufer, mit einer von seiner Macht überzeugten Haltung und Miene, daß die anderen Kunden sich hastig in den staubigen Nachmittag zurückzogen, und Kul eifrig hinter seinen Stoffballen hervoreilte.
    »Euer Gnaden?« schmeichelte er.
    »Ich brauche eine Doppellänge Eurer feinsten Seide. Nicht die Farbe ist wichtig, nur die Feinheit des Gewebes. Die Seide muß wie Wasser fließen, und eine Kerzenflamme muß durch vier Lagen noch hell leuchtend zu sehen sein.«
    Kul überlegte nur kurz, dann kramte er einen Armvoll Muster hervor. Er hätte jedes der Reihe nach zur Begutachtung vorgelegt, aber der Blick des Kunden fiel auf einen seegrünen Stoff. Kul sah sofort ein, daß es töricht wäre, des Priesters Geduld mit anderen Geweben auf die Probe zu stellen.
    »Euer Gnaden haben ein gutes Auge«, sagte er statt dessen. Er rollte eine halbe Länge ab und ließ den Priester Gewebeart und Durchsichtigkeit selbst prüfen.
    »Wieviel?«
    »Zwei rankanische Goldkronen für zwei Längen.«
    »Eine!«
    »Aber Euer Gnaden kamen erst vor kurzem aus der Hauptstadt. Gewiß entsinnt Ihr Euch des hohen Preises für ein so feines Gewebe. Seht, der rechte Rand ist mit feinen Silberfäden gesäumt. Ganz gewiß ist der Preis von eins, sieben nicht zu hoch.«
    »Und hier ist ganz gewiß nicht die Hauptstadt. Neun rankanische Soldo«, knurrte der Priester und ging mit seinem Angebot sogar noch herab.
    Kul zog den Stoff aus des Priesters Hand und wickelte ihn geschickt wieder um den Ballen. »Neun Soldos«, brummte er. »Die Silberfäden allein kosten schon mehr! Aber gut, ich habe im Grunde ja keine Wahl. Wie soll ein einfacher Basarkaufmann gegen Molin Fackelhalter, den Hohepriester Vashankas ankommen? Gut, gut - also neun Soldo.«
    Der Priester schnippte mit dem Finger, und ein stummer Tempelknabe eilte mit seinem Geldbeutel herbei. Der Knabe holte neun Münzen heraus, zeigte sie erst seinem Herrn und händigte sie dann Kul aus, der ihre beiden Seiten genau betrachtete, um sicherzugehen, daß sie nicht gefälscht waren - was in Freistatt häufig vorkam. (Für einen Priester war es nicht schicklich, daß er sich selbst mit seinem Geld befaßte.) Während Kul die kleine Handvoll Münzen einsteckte, schnippte Fackelhalter erneut mit dem Finger. Diesmal kam ein kräftig gebauter Wüstensohn herbei, hielt den stoffbezogenen Türrahmen auf, bis der Hohepriester den Stand verlassen hatte, dann nahm er dem stummen Knaben den Stoffballen ab.
    Zielsicher schritt Molin Fackelhalter durch die Menschenmenge im Basar, überzeugt, daß seine Diener ihm dichtauf folgten. Die Seide war fast so gut, wie der Kaufmann behauptet hatte und hätte in der Hauptstadt, wo mit Geld nicht so geknausert wurde, bestimmt das Doppelte des ursprünglich verlangten Preises gekostet. So hoch der Priester auch in der rankanischen Hierarchie gestiegen war, genoß er doch immer noch ein geschicktes Feilschen.
    Seine Sänfte wartete am Basartor auf ihn. Ein zweiter Wüstensohn hielt ihm die schweren Gewänder, während er die geschnitzte Holzstufe stieg. Der erste hatte die Seide bereits auf den Sitz gelegt und stand zwischen den hinteren Sänftenstangen. Der Stumme zog einen lederumwickelten gegabelten Stock aus seinem Gürtel, schlug dem Träger einmal gegen den Schenkel, und die Sänfte setzte sich in Richtung Palast in Bewegung. Die Wüstensöhne gingen dorthin, wo sie sich üblicherweise aufhielten, wenn Molin ihre Dienste nicht benötigte, und der Stumme trug den Stoff in die Wohngemächer, mit der strikten Anweisung, daß Lady Rosanda, Molins Gemahlin, ihn ja nicht zu Gesicht bekommen dürfe. Molin selbst wandelte durch den Palast zum Flügel der Vashanka-Diener und -Sklaven.
    Vor allem letztere interessierten ihn, insbesondere die anmutige, grazile Sklavin aus dem Norden, namens Seylalha, die zu dieser Zeit den schwierigen Verführungstanz übte. Dieser Tanz war die Neugestaltung Sterblicher des göttlichen Tanzes, den Azyuna ihrem Bruder Vashanka dargeboten hatte, damit er sie zu seiner Konkubine mache und nicht ihren anderen verräterischen Brüdern zugeselle. Seylalha würde diesen Tanz in nicht ganz einer Woche am alljährlichen Festtag zum Gedenken des Zehntodes aufführen.
    Der Tanz erreichte gerade seinen

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