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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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leichtesten Drehung bauschten sich die tiefen Falten zu zarten Wölkchen auf. Die herrlich leichte Seide war so ganz anders als die schweren Lumpen, die sie gewöhnlich tragen mußte, daß sie über der Freude ganz vergaß, auf die schwierige Tanzsprache ihrer Lehrerinnen zu achten, die sich mit den Fingern über ihre Kreation unterhielten.
    Das Fest mußte nahe sein, denn sie würden sie bestimmt nicht so kleiden, stünde nicht ihre Vermählung mit dem Gott bevor. Der Mond, den sie durch ihr Zellenfenster sehen konnte, war bereits eine fast fadendünne Sichel, und schon bald würde er gar nicht mehr zu sehen sein.
    Die Frauen griffen nach ihren Instrumenten und begannen zu spielen. Ohne zu warten, bis sie ihr mit ihren Klapperstöcken das Zeichen für den Anfang gaben, begann Seylalha zu tanzen. Sie ließ die freien Enden der Seide hinausschwingen, während sie die hundert Posen des Tanzes vorführte - jede einzelne ihren Muskeln schmerzhaft eingeprägt. Sie floß mit der atonalen Musik, legte ihre Seele in jeden Sprung, jede Drehung, und war sich nur allzu bewußt, daß diese sinnlose Aneinanderreihung von Bewegungen ihr einziges, eindringliches Flehen um Freiheit war.
    Als sie zu dem heftigen, wirbelnden Schluß des Tanzes kam, verfing die seegrüne Seide sich in ihrem fliegenden Haar und löste sich von ihrem Körper, bis nur noch die Broschen am Hals und der Taille sie hielten. Und während sie sich zum Fußfall neigte, schwebte die Seide hinab und verbarg das heftige Beben ihres Busens, während ihr Atem stoßweise kam. Die Klapperstöcke blieben still, hatten nichts auszusetzen.
    Seylalha teilte ihr Haar und erhob sich anmutig. Selbst wenn sie noch Zungen gehabt hätten, wären ihre Lehrerinnen jetzt sprachlos gewesen. Nie wieder würde sie von ihnen herumkommandiert werden. Nun war sie es, die auffordernd in die Hände klatschte, bis man sie von der verschlungenen Seide befreite und sie zu ihrem Bad brachte.
5
    Stockdunkel war die Nacht, daß selbst das Licht von zwei Dutzend Fackeln nicht genügte, die Prozession sicher durch die holprigen Straßen von Freistatt zu führen. Molin Fackelhalter und fünf weitere hohe Angehörige der Hierarchie nahmen gar nicht erst an der Prozession teil, sondern warteten in der verhältnismäßig annehmlichen steinernen Veranda des immer noch nicht vollendeten Vashanka-Tempels. Hinter den Priestern war ein großes Rundzelt errichtet worden, in dem die stummen Frauen ihre Instrumente stimmten. Als die wippenden Fackeln auf den Platz einbogen, wurde den Frauen Schweigen geboten, und Molin, der auf seinen kunstvollen Kopfputz achten mußte, stieg auf ein Podium auf der Veranda.
    Das Mädchen Seylalha, in einen Umhang aus Federn und gesponnenem Gold gehüllt, klammerte sich an das Geländer des von sechs ausgewählten Soldaten der Garnison getragenen Podests. Als diese Schwierigkeiten mit den grobgehauenen Stufen hatten, wurde sie fast umgeworfen, so daß die feine Seide beinahe den Boden streifte, aber glücklicherweise retteten ihre Tänzerinnenreflexe sie vor dem Fall, der als schlimmes Omen betrachtet worden wäre. Zehn Verurteilte aus den Stadtkerkern schlurften, durch einen Trunk so gut wie gefühllos gemacht, achtlos vorüber, ohne einen Gedanken an Vergangenheit, Gegenwart oder die nur noch kurze Zukunft zu verschwenden. Ihre weißen Kittel waren durch mehrere Stürze in den glitschigen Unrat auf den Straßen beschmutzt, doch keiner hatte sich ernsthaft verletzt.
    Den Abschluß der Prozession bildete Prinz Kadakithis, der eine Maske aus gehämmertem Gold und Obsidian trug, nicht unähnlich der des Hohepriesters. Der Prinz tastete sich zum Zelt. Er warf nur einen kurzen Blick auf Molin, denn ihre Masken machten eine unauffällige Unterhaltung unmöglich. Doch Molin genügte es, daß es tatsächlich der Prinz persönlich war, der das Zelt betrat. Er band die Tuchtür des Zeltes zu und stemmte drei überkreuzte Speere von außen davor.
    Die Höllenhunde bildeten einen Kordon um das Zelt - alle Höllenhunde, außer Tempus, den Molin, wozu er sich selbst beglückwünschte, zum Wachdienst im Palast eingeteilt hatte. Der Mann mochte diesen Dienst zwar vielleicht nicht ernstnehmen, aber zumindest würde er sich nicht in der Nähe des Rituals aufhalten. Die Höllenhunde streckten die blanken Schwerter vor sich aus und waren bereit, jeden zu töten, der versuchte, das Zelt vor Sonnenaufgang zu betreten oder zu verlassen. Mit einer Stimme, die weit über die noch unvollendeten

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