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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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aus Europa erhalten.“
    „Arbeiten Sie an kriegswichtigen Themen?“
    „Sie machen aus allem ein wichtiges Thema. Ihnen reicht es schon, zu wissen, dass wir einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren sind, um uns als Russenfreunde abzustempeln. Innerhalb dieser Unlogik ist alles logisch.“
    „Wenn Sie ‚sie‘ sagen, an wen denken Sie dabei?“
    Kurt starrte ihn an, er war ernstlich erstaunt über diese Frage.
    „Die Geheimdienste. Die Regierung. In Princeton wimmelt es von Spionen aller Couleur.“
    „Machen Ihnen die Nachrichten über den Krieg in Korea Angst?“
    „Sie enttäuschen mich. Ich hatte gehofft, in einem besonnenen Land leben und in aller Ruhe forschen zu können. Und nun treffe ich hier Menschen, die Atombunker in ihren Gärten ausheben und Zucker hamstern! Angesichts dieser paranoiden Nation bin ich kerngesund.“
    Hulbeck hob die Hände und dachte kurz nach.
    „Adele, werfen Sie Ihrem Mann vor, dass er sich nicht ausreichend um Sie kümmert?“
    „Das war nicht Teil des Ausgangs-Deals. Ich wurde als Krankenschwester engagiert.“
    Kurt verdrehte die Augen. Charles trommelte ein Weilchen.
    „Was wissen Sie über die Ängste Ihrer Frau?“
    „Einen Scheißdreck weiß er!“
    Ein erneutes Bong wies mich in meine Schranken. Am liebsten hätte ich ihm mit seinem verfluchten Instrument das Maul gestopft!
    „Den lieben langen Tag klagt Adele über Geldmangel. Nie bekommt sie genug. Trotzdem habe ich mich zusammengerissen und vor Kurzem eine Professorenstelle angenommen. Mein Arbeitspensum und die Verantwortung sind sehr hoch.“
    Ich kochte auf meinem Sofa. Viertausend schäbige Dollar mehr pro Jahr! Damit konnte man nicht in Champagner baden. Und seinen Posten verdankte Kurt dem Entgegenkommen Oppenheimers und der unablässigen Unterstützung des Duos Einstein-Morgenstern. Sein Kollege Carl Siegel hatte sich immer geweigert, Kurts Kandidatur für eine permanente Professur zu unterstützen, er hatte sogar erklärt: „Ein Verrückter am Institut ist genug!“ Wer der andere war, habe ich nie herausgefunden. Vielleicht er selbst. Und dann seine angebliche Verantwortung! Er vergiftete das Leben am Institut mit seinen ständigen Schikanen. „Wen macht Kurt Gödel heute fertig?“, das war bei Besprechungen der erste Punkt auf der Tagesordnung.
    „Ich habe in den letzten Jahren etliche Preise bekommen. Meine Frau sollte also zufrieden sein. Sie fordert ihren kleinen Anteil am Ruhm. Wie bei der Verleihung des Einstein-Preises. Ich persönlich verabscheue solche Festlichkeiten. Sie wollte bei der Feier unbedingt neben mir sitzen, das war völlig widersinnig. Sie hat die Organisatoren damit bedauerlicherweise in Verlegenheit gebracht.“
    Ein paar Trommelschläge hinderten ihn am Weitersprechen.
    „So ein Lügner! Sein Leben lang war er hinter Anerkennung her. Das weiß sogar Albert! Warum, glaubst du, haben sie dir den ersten Einstein-Preis verliehen? 27 Aus Mitleid! Um die Krankenhausrechnung zu bezahlen! Sonst hätten wir es nicht gekonnt.“
    Ein dreifaches Bong . Kurt war aschfahl, er krallte sich in das Fell seines Sessels, als wollte er in die Gebärmutter zurückschlüpfen. „Sie haben ihn nicht nötig, mein Freund“, hatte Albert ihm zugeflüstert, als er ihm den Preis überreicht hatte. Kurt konnte keinen täuschen, schon gar nicht ihn.
    Ich gab mich schließlich geschlagen. Ich holte die Puderdose aus der Tasche, frischte mein Make-up auf und bedachte meine Gesprächspartner mit einem genüsslichen Schmatzen. Nun war Kurt am Zug, aber als Sparringspartner im Ring hat er sich noch nie behaglich gefühlt. In der Totenstille stand Hulbeck auf und drehte wieder drei kleine Runden durch sein Sprechzimmer.
    „Sie müssen Ihre Paarbeziehung als ein dynamisches System mit labilem Gleichgewicht betrachten. Beide sind Sie Opfer und Täter zugleich. Meine Arbeit wird darin bestehen, Ihnen dabei zu helfen, Ihre jeweiligen Unzufriedenheiten ohne Aggressionen zum Ausdruck zu bringen. Gestatten Sie, dass ich rauche?“
    Kurt zuckte mit den Schultern. Der Therapeut bot mir eine Zigarette an und zündete sie mit einem Tischfeuerzeug in Form eines Pilzes an. Er verließ das Zimmer und bat seine Sekretärin, Kaffee zu bringen. Ein Engel huschte durch den Raum. Ich wurde wieder weicher. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich meinen Mann. Vielleicht war ich ja ein bisschen zu weit gegangen.
    Als der Kaffee gebracht worden war, setzte Hulbeck sich hinter seinen Schreibtisch und drehte ein komisches

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