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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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berate Geschäftsleute, Künstler, auch viele Schauspieler. Wenn ich nicht auf Reisen bin, wohne ich in Los Angeles.“
    „Und nach welcher Methode arbeiten Sie?“
    „Ich bin hyperempathisch. Ich empfange Schwingungen, positive und negative. Ich helfe meinen Patienten, ihre Schwingungen zu sortieren. Alles ist doch Schwingung, nicht wahr?“
    Kitty, immer auf eine Belustigung aus, übernahm: „Mein lieber Theolonius, ich wette, Sie glauben an Reinkarnation.“
    Er nickte, bevor er mit kalkulierter Langsamkeit seine Sonnenbrille abnahm. Er hatte einen interessanten Blick, wenn auch nicht so verstörend wie der Oppenheimers. Letzterer schnarchte gerade, zwischen seinen Fingern hing eine abgebrannte Zigarette.
    „Ich rede lieber von Seelenwanderung. Ich war schon öfter in Indien, die asiatische Kultur hat mich sehr beeinflusst. Sie macht keinen Unterschied zwischen Körper und Seele wie wir hier im Westen. Alles ist eins. Wir sind reine Energiezustände. Wir sind quantisch.“
    Charles stocherte in seinen Zähnen – es sei denn, er schliff sie an …
    „Was verstehen Sie unter quantisch, Theolonius?“
    „Meine Tätigkeit ist die Frucht langer Jahre des Reisens und der Forschung. Dank der Meditation habe ich mein Bewusstsein des Erdenlebens tief greifend verändert. Ich konnte eine beträchtliche Kapazität entwickeln, meine physisch-psychische Ganzheitlichkeit zu zentrieren. Und sie gestattet mir, meine Energie auf quantische Weise zu mobilisieren.“
    „Ich habe überhaupt nichts kapiert.“
    Theolonius fasste Beate an der Schulter.
    „Es ist kompliziert, ich weiß. Aber in erster Linie ist es eine Glaubensfrage.“
    Sie starrte ihn böse an. Durch seine Herablassung hatte er gerade eine wertvolle Verbündete vergrault. Dieser Theolonius war entschieden auf Prügel aus. In Sicherheit gewiegt von den ausbleibenden Reaktionen der Wissenschaftler, wagte er sich weiter vor. Er servierte uns irgendeinen Brei aus Körper, Bewusstsein, Curry, Materie und Geist. Ich sah, wie Kurt verdutzt eine Augenbraue hochzog. Auch ich hatte nichts von Jessups Kauderwelsch begriffen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich dafür überhaupt das notwendige Vokabular zur Verfügung hatte. Der Quanten-Guru, als gerissener Verkäufer seines Schunds, machte uns nicht die Freude, sich über unser Schweigen zu ärgern. Ob es an diesem Tisch wohl einen potenziellen „Kreis“ gab?
    „Der quantische Raum ist ein Schwingungsfeld, in dem die Dualität zwischen Ich und Nicht-Ich aufgehoben ist.“
    „Ich bin erleichtert zu hören, dass Pauli uns nicht umsonst mit seinen teuflischen Matrizes belästigt hat.“
    Oppie hatte diese Bemerkung vom Liegestuhl aus gemacht, er hatte die Augen geschlossen, aber ihm entging kein Wort des Gesprächs. Ich konnte nicht herausfinden, ob dieser Jessup unseriös oder einfach nur naiv war. Sein kosmischer Obstsalat wirkte vielleicht auf Hollywood-Sternchen – aber hier in Princeton? Selbst ich konnte seine Tollkühnheit ermessen. Ich fand es schade, dass Albert und Pauli nicht hier waren – sie hätten getobt vor Freude, diesen Scharlatan in Stücke zu reißen. Kurt schwieg, er suchte nach nicht existenten Fusseln auf dem Revers seines weißen Anzugs. Die Krawatte hatte er abgelegt, der offene Kragen entblößte seinen dürren Hals. Dieses Stückchen heller Haut zerriss mir das Herz vor Zärtlichkeit. Ich lächelte meinem Mann zu, verschwörerisch neigte er den Kopf. Oskar Morgenstern wechselte das Thema. Er wollte verhindern, dass dieser Sonderling sich in einem neuen zweifelhaften Gedankenflug erging. Indem er Charles den Wind aus den Segeln nahm, beschlagnahmte er sein Spielzeug.
    „Kurt, haben Sie Ihren Artikel über Carnap fertig?“
    „Ich habe ihn wieder zurückgezogen.“
    „Warum? Was für eine Kräfteverschwendung!“
    „Ich war mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Und ich war polemisch. Mein alter Freund Carnap hätte nicht mehr die Zeit gehabt, mir zu antworten. Das war nicht korrekt gewesen. Ich werde mich von nun an ausschließlich der Philosophie widmen. Ich studiere eingehend Husserls Phänomenologie und seine Arbeiten über Bewusstsein und Wahrnehmung.“
    „Langweilt Sie die Mathematik?“
    „Wo Sie einen Wirrwarr sehen, Lili, ziehe ich einen einzelnen Faden heraus. Ich habe den Ehrgeiz oder die Hoffnung, eine axiomatische Grundlage der Metaphysik zu finden.“
    „Indem Sie andere studieren?“
    „Das Studium ist nie umsonst.“
    Theolonius kam wieder ins Rennen, zu allem

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