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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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dem jüngsten Gerede über den Kampf für die Bürgerrechte fühlte ich mich nicht betroffen. Wenn die Schwarzen sich im Bus neben mich setzen wollten – bitte, ich würde sie nicht daran hindern. Ihren Blues, ihren Rock ’n’ Roll zu hören? Vom selben Brunnen zu trinken? Damit könnte ich mich abfinden. Aber dann auch zu akzeptieren, bei einer Transfusion Blut von einem schwarzen Spender zu bekommen? Darüber wollte ich lieber nicht nachdenken. In der schmucken, snobistischen Enklave Princeton hatten wir nie mit Farbigen verkehrt, 40 abgesehen von der Haushälterin, die ich aber dann wieder nach Hause geschickt hatte. Wir kannten keinen einzigen schwarzen Mathematiker oder Physiker. Albert hatte versucht, mir mit den Termen a + b den Irrsinn der Rassentrennung zu erklären. Doch der Verstand hatte meiner Ansicht nach wenig damit zu tun.
    Tanzend reichte Beate mir ein Glas. Vor den Blicken der Männer geschützt, die im Garten geblieben waren, wiegten wir uns in den Hüften. Die Wärme, der Alkohol und meine Küche hatten ihnen die zu ernsten Gespräche ausgetrieben. Am Ende des Musikstücks ließen wir uns trunken vor Freude fallen. Das Alter bezwang unsere Beine vor unserem Gelächter. Ich zog die Schürze aus, die mein Kleid schützte. Mit meinen fünfzig Jahren hatte ich stark zugenommen und alle meine Kleider weiter machen lassen müssen.
    „Findet ihr nicht, dass dieser Mann echt komisch ist?“, fragte Lili in Anbetracht unseres Überraschungsgastes – der einzige Fremde in unserem Grüppchen. Dorothy hob ihrem lachenden Püppchen das Kinn an.
    „Ich finde ihn toll! Er äußert seinen charmanten Unsinn mit so viel Überzeugung.“
    „Er hat eine schlechte Haut. Wie Tom Ewell!“
    „Habt ihr ihn in Das verflixte 7. Jahr gesehen? Er kommt nicht an Cary Grant heran!“
    „Kommt ganz darauf an, was du mit ihm vorhast, meine Liebe.“
    „Adele, wenn das dein Mann hören würde!“
    Ich wirbelte herum wie Marilyn Monroe auf dem Lüftungsschacht. Penny drängte sich unter meinen Rock, sie war wirklich wie besessen!
    Die Männer beim Cocktail, die Frauen in der Küche – alles war, wie es sein sollte. Ich hatte nichts gegen diese sexistischen Intermezzi, sie lockerten mein Leben ein wenig auf. Diese sporadischen Anwandlungen gesellschaftlichen Lebens waren mein letztes echtes Vergnügen. Unsere Frauengespräche folgten immer demselben beruhigenden Protokoll: Mutterstolz und -sorgen meiner Freundinnen, Verstopfung und Blähungen bei uns allen, Kommentare über die Klamotten, Ehegenörgel und zum Schluss Klagen über die Männer im Allgemeinen. Unsere Gatten brauchten eine Wanne Alkohol oder einen Sternenhimmel, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen, mir dagegen genügte ein Becken voll schmutzigem Geschirr.
    An diesem Nachmittag hatten wir Kurts Berufung in die National Academy of Sciences gefeiert – eine der höchsten Ehren für einen amerikanischen Wissenschaftler, denn die führenden Vertreter der verschiedenen Disziplinen beraten die US-Regierungen und deren Organe in nationalrelevanten Fragen. Zu diesem Anlass hatten wir alle unsere engsten Freunde zum Barbecue eingeladen. Nur Albert war nicht gekommen, er hatte die Einladung abgesagt und Erschöpfung vorgeschoben. Die Zeiten waren wieder etwas milder geworden – Knecht Ruprecht alias Stalin war tot, Amerika entspannte sich: Der Koreakrieg war zu Ende, der Vietnamkrieg bahnte sich erst an, Eisenhower hatte uns endlich von der Geißel McCarthy befreit, nachdem der republikanische Senator sogar das Militär gegen sich aufgebracht hatte. Die Oppenheimers hatten sich gut aus der Affäre gezogen – Robert war weiterhin Direktor des IAS, seine Aura als Wissenschaftler war unangetastet geblieben. Die Erhöhung der staatlichen Subventionen kam der ganzen Forschung zugute, unsere kleine Welt durfte also zufrieden sein. Amerika konnte seinen Gürtel wieder ein Loch weiter schnallen.
    Im Schatten der Laube servierte ich den Kaffee. Dorothy hatte sich mit ihrem Sohn hingelegt. Ich schätzte den Grad an Benommenheit bei meinen Gästen ab und wusste, dass ich mich ihrer Anwesenheit noch eine ganze Weile erfreuen könnte. Ich hatte es geschafft, dieses Haus nach meinen Wünschen in ein behagliches Nest zu verwandeln.
    Als ewiger Provokateur hatte Charles Hulbeck anstelle einer Flasche Champagner ein Kuriosum mitgebracht: Theolonius Jessup. Der Vierzigjährige, von der kalifornischen Sonne gebräunt, war erklärter Veganer und selbsternannter Soziologe. Er

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