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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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die Herren nötigte, zu den Waffen zu greifen und eine gewaltige berittene Streitmacht zu bilden, der mit gnadenloser Hand die Spreu vom Weizen trennte – er, der strenge Vater aller Dinge.
    Lykos schob ein großes Stück Fleisch in den Mund, kaute und spülte es mit Met hinunter.
    Er hoffte, daß dieser Krieg kommen würde,
seine
Zeit. Er würde schon unter Beweis stellen, daß er ein hervorragender Krieger war, würdig, die Kupferaxt des Königs zu übernehmen.
    Aber noch war es nicht soweit. Noch hatte er anderes zu beweisen: seine politische Klarsicht, sein vorausschauendes Denken, sein untrügliches Urteil. Und seine Befähigung zur Herrschaft.
    Schwerer war das, als er früher gedacht hätte. Und vieles wurde ihm jetzt klar von dem, was der Vater getan und wofür er diesen gehaßt hatte. Wie einfältig er selbst gewesen war, als er Nakis Fesseln zerschnitten hatte – zu meinen, Herrschaft ließe sich durch Güte erreichen! Aber er lernte schnell. Vor allem, daß es galt, die Erfahrung und Weisheit der Alten für sich zu nutzen.
    Der Priester Daios beim Gastmahl ...
    Er hatte Moria angewiesen, Daios und den anderen Gästen so viel vergorene Stutenmilch nachzuschenken wie nur möglich, ihm selbst aber heimlich nur mit Wasser verdünnte zu reichen. Und je mehr die Gäste betrunken waren, desto mehr hatte er sich bemüht, das Gespräch vorsichtig dorthin zu lenken, wo er es haben wollte ...
    Eraiox' Gesicht war gerötet. »Unsere Wölfe«, fallte er, »haben scharfe Zähne! Nichts kann sie aufhalten! Und wenn wir erst unsere berittene Streitmacht aufstellten! Niemand kann uns widerstehen! Wenn wir es wollen, halten uns selbst die Grenzen des Meeres nicht auf!«
    Die Männer schrien Zustimmung.
    Daios hob den Becher. Auch sein Gesicht vom Trinken schon gerötet. Doch sein Geist geschliffen wie eh und je. »Und dann, mein Held, und dann? Auch tapferste Kämpfer fallen im Krieg. Je weiter sie ziehen, desto weniger werden es sein. Und das Land, das sie erobert haben? Es muß besetzt und unterworfen gehalten werden, muß mit strenger Hand und wachsamem Auge regiert werden, sonst fällt es wieder ab!
    Ich sage dir, Eraiox, nicht das Erobern ist die Schwierigkeit, sondern das Behalten und Beherrschen!«
    Eraiox, der am meisten von allen getrunken hatte, rülpste. »Unsere Wölfe haben scharfe Zähne«, wiederholte er dümmlich.
    Die anderen lachten.
    Moria schenkte den Rauschtrank nach.
    Er selbst beugte sich vor. »Was sind deine Folgerungen, weiser Daios?«
    Daios wischte den Mund, hielt Moria den Becher hin. »Wir sind zu wenige an der Zahl, das ist die Schwierigkeit. Unsere Stärke bezwingt jeden Gegner. Aber unsere Zahl läßt es nicht zu, ihn unbegrenzt auf den Knien zu halten.
    Wir müssen Sorge tragen, daß unserer mehr werden. Mehr Krieger, die kämpfen. Mehr Herren, die herrschen. Mehr Richter, die richten. Mehr Frauen, die Kinder gebären.«
    »Das tue ich«, lachte Hairox. »Dafür trage ich Sorge! Meine Frau ist jedes Jahr schwanger! Und meine beiden Nebenfrauen auch!««
    »Und meine erst!« grölte Eraiox. »Ich habe fünf Nebenfrauen! Und meine Kinder, es sind, Himmel, dauernd vergesse ich, wie viele es sind!««
    Betrunkenes Gelächter.
    »Schwachkopf«, hörte Lykos Daios verächtlich murmeln. Niemand hörte es außer ihm. »Ist das nicht richtig, erhabener Daios«, fragte er leise, »fördert es nicht unsere Stärke, wenn wir für viele Nachkommen Sorge tragen?«
    »Selbstverständlich ist es richtig«, erwiderte Daios und trank. »Aber es reicht nicht!« Anzüglich sah er Moria nach, die eben den Raum verließ. »Deine Frau, ist sie schwanger?«
    Röte stieg ihm ins Gesicht. »Wir sind noch nicht lange verheiratet, Daios. Aber– ich habe eine Nebenfrau, und die trägt mein Kind.«
    Daios nickte. »Zuwenig!«
    »Meint Ihr, ich sollte mir noch eine Nebenfrau nehmen?« fragte er zweifelnd.
    Daios machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ihr jungen Herren! Könnt ihr alle nicht denken?!« Er widmete sich ausgiebig dem Trinken.
    Lykos wartete mit Ungeduld. So nah war er dem Ziel. Wenn Daios weiter so trank, würde er morgen von nichts mehr wissen, was er jetzt sprach. Niemand außer ihm, dem Gastgeber, würde noch etwas davon wissen, betrunken, wie sie alle waren.
    Wenn Daios nur spräche!
    »Ich hab's«, rief Eraiox. »Siebenunddreißig! Es sind siebenunddreißig!«
    »Oder dreiundsiebzig?« rief einer der Herren dazwischen und hieb sich auf die Schenkel vor Lachen.
    »Ja! Aber ja! Dreiundsiebzig!«

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