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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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des Alten Volkes. Unübersehbar die Spuren seiner Niederschlagung.
    Größer und fester noch als zuvor wurden die Herrenhöfe in der Nähe der zerstörten neu errichtet. Die Dörfer wurden es noch nicht.
    Drei Dörfer für einen Hof der Söhne des Himmels – nach diesem Grundsatz hatte Hairox mit seiner Truppe die Vernichtung der Herrenhöfe gerächt.
    Der kommende Winter würde die Rache vollenden.
    Wais abgemagertes Gesicht im Halbdunkel der kleinen Hütte, die notdürftig das alte Haus ersetzte. Nur wenige Männer hatten die Zerstörung des Dorfes überlebt, und diese hatten das ganze Jahr am Wiederaufbau des Rösoshofes arbeiten müssen. Unmöglich, auch das Dorf in diesem Jahr wieder erstehen zu lassen.
    »Die Wolfskrieger haben unser Dorf ausgeplündert, ehe sie es angezündet haben. Nur die Wintersaat auf den Feldern blieb verschont. Was wir diesen Sommer geerntet haben, mußten wir ganz und gar an Rösos und Krugor abliefern, nichts außer dem Saatgut haben sie uns gelassen!
    Im letzten Winter sind drei Alte verhungert. Im kommenden Winter werden es mehr sein. Und nicht nur Alte.«
    Sie, Haibe, konnte es nicht begreifen. »Warum tun die Söhne des Himmels das? Sie brauchen euch doch! Auch sie essen von dem Getreide, das ihr ihnen abgeben mü ßt!«
    Bitter erwiderte Wai: »Um uns so klein zu machen, wie sie uns haben wollen, nehmen sie auch mal schlecht gefüllte Speicher hin. Ihre Kinder werden es nicht sein, die verhungern. Ihre Kinder werden sie mit Fleisch ernähren. Und uns werden sie dazu bekommen, vor ihnen im Dreck zu kriechen um eine Schüssel voll Speise für unsere Kinder.
    Oder wüßtest du etwas, was du nicht für dein Kind tätest?«
    Nein, Wai, ich wüßte nichts, was ich nicht für meine Tochter täte, und für meinen Enkel. Sogar die Göttin zu verraten, sogar mir Nakis Haß und ihre Verachtung zuzuziehen, nur um sie und Wirrkon zu retten – sogar dazu bin ich inzwischen bereit.
    Ritgo hat es ausgesprochen: Warum hast du nicht Wirrkon entführt, dann wäre dir Naki schon gefolgt.
    Damals fand ich den Gedanken undenkbar. Heute trage ich ihn selbst.
    Noch einmal, Naki, lass' ich dich nicht in die Hände dieses Mörders fallen. Wenn er aus dem äußersten Westen zurückkehrt, in den er, wie man in ihrer Sprache sagt, das Kriegsgeschrei trägt, wirst du nicht mehr hiersein, und Wirrkon auch nicht. Der Kleine soll glücklich und ohne Zwang aufwachsen, und nicht geprügelt und geknechtet wegen einer ängstlichen Frau der Söhne des Himmels, die vor ihrem Mann zittert –und um einer toten Göttin willen.
    Wenn ihr nicht gerettet werden könnt, ohne einen Frevel zu begehen, werde ich es sein, die diesen Frevel auf sich nimmt.
    Ach Ritgo, seit ich in dieses Land zurückkehrte, bin ich dir immer näher. Und verloren wie du.
    Haibe begann schneller zu laufen, fast zu rennen. Heute noch würde sie Naki und Wirrkon sehen, heute noch an sich drücken, heute noch den Plan fassen, wie sie die beiden aus ihrer Gefangenschaft losreißen könnte – wenn nicht mit Nakis Willen, dann gegen ihn.
    In Lele würde sie eine Verbündete suchen, Irrkru lieber nicht einweihen. Es mochte sein, daß er Naki halten wollte ...
    Und wenn es so war, daß Irrkru und Naki sich liebten, dann sollte er Naki folgen, mit ihm Lele, Daire und das Kind Kori! Die neue Heimat barg Platz für viele. Am besten, sie bot es ihnen von vornherein an, versuchte die Familie gleich von der gemeinsamen Flucht zu überzeugen.
    Naki würde Irrkru und die anderen brauchen, wenn Zorn und Haß auf ihre Mutter sie schüttelten, wenn die Verachtung über das, was ihre Mutter getan hatte, sie würgte –
    Halt, nein, wenn die anderen eingeweiht waren, würde Naki sich an deren Schulter nicht ausweinen können, und würde sich um so verlorener fühlen.
    Haibe straffte sich: Also doch ganz allein!
    Sie erreichte den Waldrand. Im grauen Dunst lag öde das Schwarzmoor.
    Tristes Grün umwölkte die verkohlten Trümmer des Dorfes. Ein einzelner schwarzer Pfosten schnitt in einen trostlosen Himmel.
    Warum erschrecke ich? Habe ich mich noch immer nicht an diesen Anblick gewöhnt? Habe ich wirklich gehofft, Daires Hof würde noch stehen, ihr Dorf sei verschont?
    Irgendwo in der Nähe werden in erbärmlichen Hütten die Bauern hausen, die diese Zerstörung überlebt haben. So war es überall.
    Langsam ging sie der Stätte des Brandes entgegen, unendlich müde auf einmal.
    Sie ließ sich auf einem Findling nieder – er hat Daires Hof behüten sollen, du hast

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