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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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murrte Noedia. »Weil sie nicht von vornherein anständig gewickelt worden ist.«
    Entsetzt sah sie selbst das verzweifelte Aufbegehren ihres Kindes. »Was soll ich nur tun?«
    »Laßt sie ein paar Tage schreien, dann gibt sie es auf, dann hat sie sich an Wickelkissen und Wickelbänder gewöhnt, und alles wird, wie es sich gehört!« erwiderte Noedia bestimmt. »Vor dem Abend braucht sie nichts mehr zu trinken. Es wird Zeit, daß Ihr aufhört, sie zu verwöhnen!«
    »Aber«, wandte sie ein, brach unsicher ab.
    »Am besten, Ihr geht aus dem Haus, dann müßt Ihr das Schreien nicht hören!« erklärte Noedia.
    Ria brüllte.
    Naki hätte sie jetzt aufgenommen, gestillt und herumgetragen. Es ist Naki, nach der Ria schreit.
    Aber sie ist doch meine Tochter, meine!
    Rias Gesicht wurde violett. Ihr weit aufgerissener Mund war verzerrt.
    Sie selbst ertrug es nicht mehr. Rannte zu dem Kind. Riß ihm die Wickelbänder von dem kleinen Körper. Hob es vom harten Wickelkissen auf. Wiegte es im Arm. Summte ein Lied.
    Ria wurde ruhig, schluchzte nur noch einmal tief auf. Langsam ließ die Verhärtung in ihren angespannten Gliedern nach. Sie wurde weich und schwer. Schlief ein.
    Schlief an der Brust, die keine Milch für sie hatte.
    Moria summte immer weiter, merkte erst nach langer Zeit, welches Lied es war, mit dem sie Ria beruhigt hatte: das Lied der Großmutter. Das Lied, das die bösen Geister vertreibt.
    Erst als Ria wieder aufwachte und vor Hunger weinte, gab sie die Kleine an Lane weiter, die Bäuerin, in deren Haus Chtairus Quartier für sie beschafft hatte. »Wir schnüren sie nicht in Bänder und nicht auf ein Wickelkissen. Bis jetzt sind ihre Glieder gerade gewachsen, so werden sie es wohl auch weiter tun! Ich will nicht, daß sie so weint. Du stillst sie immer dann, wenn sie danach verlangt!«
    »Natürlich, Herrin!« Ein geheimes Einverständnis in Lanes Lächeln.
    Sie selbst lächelte zurück. Und spürte, wie sie rot wurde.
Ach, Ria. Wir haben dich verzogen, sagt Noedia, und das tue nicht gut.
    Nicht gut? Du bist, was ich nie war. Voller Leben. Wenn ich deine Augen sehe –
    Ich kann dir das Lachen nicht verbieten.
    Aber wenn Lykos wieder daheim ist, dann mußt du lernen still zu sein. Wenn du ihn nicht störst, wird er dich kaum beachten.
    Bist ja nur ein Mädchen. Zum Glück.
    »Ich mein's doch nur gut mit Euch und der Kleinen«, murmelte Noedia. »Der Krieg soll bald vorbei sein, heißt es, und dann kehrt doch der Herr zurück!«
    »Was erinnerst du mich daran, als müßte ich es fürchten!« erwiderte Moria hitzig, redete laut, übertönte das plötzlich einsetzende unruhige Schlagen des Herzens. »Findet er hier etwa nicht alles wohlgeordnet vor?! Besser und schöner, als er es vor dem Krieg verlassen hat?!« Mit trotzigem Stolz umfaßte ihre weit ausholende Gebärde den geräumigen, von mächtigen Palisaden und einem Graben umgrenzten Hof. Zufrieden ruhte ihr Blick auf den beiden großen Häusern mit den gewaltigen Rieddächern, mit den weißgekalkten, lehmverputzten Flechtwänden – die in regelmäßigen Abständen von hellen Pfosten unterbrochen waren – und den kleinen verschließbaren Fensterluken. Dann ließ sie die Augen über den zum Schutz vor Feuchtigkeit und Ungeziefer auf hohen Pfosten errichteten Speicher, den Schuppen mit dem Schweinekoben, die Vorratsgruben und den mit einem schrägen Windschutz überdachten Mahlplatz gleiten.
    Helles Holz und neues Ried, alles duftend vor Frische und Sauberkeit.
    Ihr Werk.
    Sicher, Lykos hatte bei seinem kurzen Besuch nach dem Brand den Platz bestimmt, an dem der Hof wiederaufgebaut werden sollte, hatte die Bauern zur Fron gezwungen und Owros zum neuen Verwalter ernannt. Und Hairox hatte mit seinen Wolfskriegern dafür gesorgt, daß sich kein Bauer der auferlegten Verpflichtung zu entziehen wagte.
    Und doch wäre ohne sie selbst nichts so geworden, wie es jetzt war. Sie war es gewesen, die das hier errichtet hatte, so wahr, als hätte sie es mit ihren eigenen Händen gebaut.
    Sie hatte den Grund abgeschritten, hatte vor ihrem inneren Auge das Bild des neuen Hofes erstehen lassen, hatte Anzahl, Lage, Größe und Raumaufteilung der Gebäude festgelegt, hatte sich unzählige Dinge ausgedacht und ihre Umsetzung veranlaßt, die Stierhörner als Giebelschmuck am Haupthaus ebenso wie die Erhöhung des Bodens in den Häusern, damit eine Stufe dafür sorgte, daß Regenwasser und Schmutz nicht eindringen konnten.
    Aber das war nicht alles.
    Der Tag, als ihr auffiel, wie

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