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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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schweifen: Äcker, kahle Hecken, vereinzelte Baumgruppen, ein niedergebranntes Dorf, keine Menschen.
    Und kein Ort, an dem Menschen sich versteckt halten konnten, schon gar nicht eine ganze Truppe.
    Solange sie diese kahle, ebene Freifläche überquerten, drohte keine Gefahr. Und gab es keine Aussicht, den Bernsteinbären aufzustöbern.
    Irgendwo hier in der Gegend solle der Bernsteinbär sich aufhalten, hatte der König ihn wissen lassen.
    Wieder einmal ...
    Bald der König, bald Eraiox, bald Hairox. Jeder von ihnen hatte schon mehr als einmal nach ihm geschickt. Nun also das Spiel von vorne, mit sehr viel mehr Wolfskriegern als bisher.
    Der König hatte sie ihm aus seiner Truppe überstellt. Es ist an der Zeit, daß du den Bernsteinbären erledigst, hatte der König gesagt, er macht uns schwer zu schaffen! Er gibt dem Alten Volk mehr Mut, als wir erwartet hatten, und wiegelt selbst unsere Bauern in der Heimat auf. Also faß ihn endlich!
    Lykos verzog das Gesicht.
    Wie oft hatte er Hinweise erhalten, wie oft selbst eine Spur aufgenommen. Und wie oft hatte er ihn schon getötet, den Bernsteinbären!
    Lykos' Hand fuhr an die Gürteltasche. Durch das weiche Leder fühlte er den Schmuck: die Bernsteinketten, die er Männern abgenommen hatte, die er getötet hatte.
    Eine Kette dicht an dicht aus großen Bernsteinperlen, andere nur Lederschnüre mit wenigen oder einem einzigen Bernsteinanhänger. Eine gar aus wertlosem gelbem Stein, der allenfalls aus der Entfernung für Bernstein gelten konnte.
    Große, starke Männer waren es gewesen, manch überraschend guter Kämpfer unter ihnen, den man nicht ohne Grund mit einem Bären vergleichen mochte.
    Keiner war leicht zu besiegen gewesen. Denn jeder hatte sich mit dem Todesmut der Verzweiflung zur Wehr gesetzt.
    Und doch hatte er selbst immer gewußt, daß es nicbt der wirkliche Bernsteinbär war, mit dem er kämpfte.
    Woher?
    Er wußte es selbst nicht.
    Der Instinkt des Jägers, der seine Beute kennt.
    O ja, er kannte den Bernsteinbären, ohne ihm je begegnet zu sein.
    Scheu und gefährlich wie ein Keiler war er, der Bernsteinbär.
    Zeigte sich nie mutwillig. Ließ sich nie fassen.
    Brach aus dem Wald, wenn man ihn nicht vermutete, richtete gewaltigen Schaden an, verschwand wieder, so schnell, wie er aufgetaucht war.
    War überall und nirgends. Legte falsche Fährten.
    Lehrte manch tapferen Wolfskrieger das Fürchten, trieb manchen Herrn fast zum Wahnsinn.
    Machte diesen Krieg zu einem gefahrvollen, verlustreichen Unterfangen, dehnte ihn in die Länge, senkte den Keim des Zweifels in die Herzen der Sieggewohnten.
    Würde den offenen Kampf nur annehmen, wenn man ihn in die Enge trieb und stellte.
    Würde nie zu besiegen sein, wenn es nicht gelänge, ihn zu stellen.
    Das Lager des Bernsteinbären müßte man finden. Ihn am Nerv treffen. Bei den Verwundeten, die im Versteck ihre Verletzungen heilten, den Frauen, die sie pflegten ...
    Sie erreichten das niedergebrannte Dorf.
    Wie viele niedergebrannte Dörfer hatte Lykos in den vergangenen Monden schon gesehen! Im Gebiet, durch das der König gezogen war. Im Gebiet, durch das Eraiox gezogen war. In der Heimat, in der Hairox wütete wie ein wild gewordener Auerochse, seit die Herrenhöfe angezündet worden waren und es galt, jeden denkbaren Aufstand im Keim zu ersticken.
    Sein eigener Hof, der stolze Lykoshof – verbrannte Erde.
    Der Augenblick, als er es sah

    Verkohlte Pfostenreste, Regen in weißlicher Asche, schwarzer Schlamm.
    Seit Tagen sah er niedergebrannte Herrenhöfe.
    Doch nichts hatte ihn vorbereitet auf diesen Augenblick.
    »Ich habe dir die Verantwortung für meinen Hof übertragen!« schrie er Chtairus an. »Ich hatte dir befohlen, nachts Wache zu halten!«
    »Ich war krank, Herr, mein Bein gebrochen, ein feiger Anschlag dieser Bauern, ich hatte die Aufsicht an Torvo abgeben müssen, laßt Euch erklären, Herr, eine Falle . . .«
    »Meine Frau, mein Kind?« brüllte er.
    »Die Herrin lebt und Eure Tochter auch, ich habe einen Bauernhof für sie . . .«
    »Und mein Sohn? Der Sohn von meiner Nebenfrau?« unterbrach er den stammelnden Chtairus.
    »Euer Sohn? Herr, es war ein großes Feuer . . .«
    »Wo ist er?«
    »Es, es tut mir leid, ich war krank, ich ko . . . konnte nichts tun. Es war ein furchtbares Unglück. Er ist ver . . . verbrannt, Herr.«
    Wie von selbst sprang die Streitaxt in seine Hand.
    Wie von selbst fuhr die Streitaxt dem elenden Chtairus in den Schädel.
    Später hatte es ihm leid getan.
    Er

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