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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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tot ist, hat er nur noch meine Mutter. Fast, als wär' jetzt sie seine rechtmäßige Ehefrau.« Stolz klang in seiner Stimme.
    Als sei sie durch ihre Erwähnung herbeigerufen, trat Noedia, Temos' Mutter, auf sie zu. »Lykos, willkommen in deinem Vaterhaus!« Sie reichte ihm einen Becher Bier und führte ihn ins Haus.
    In der Tür blieb er stehen, gewöhnte die Augen an das Dämmerlicht, dann trat er ein, verneigte sich vor dem Vater auf der Bank. »Ich grüße Euch, Herr. Ihr habt mich rufen lassen?«
    Setz dich zu mir, mein Sohn!« Der Vater wies auf die zweite Bank, die mit Bärenfell bedeckte Gastbank.
    Lykos lächelte. »Es ist mir eine Ehre, Vater.«
    Früher hatte er diese Bank ehrfurchtsvoll bewundert. Nun lud der Vater ihn ein, darauf Platz zu nehmen.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete er den Vater. Herrisch und unbeugsam wie eh und je saß dieser da, achtunggebietend in herrschaftlich schwarzen Gewand. Aber sein Gesicht war
    schmal und hager geworden, scharfe Falten hatten sich eingegraben, und auch die Sonnenbräune konnte über eine seltsame Blässe nicht hinwegtäuschen.
    Er ist alt, dachte Lykos. Wie kraftlos seine Arme sind. Der hebt seine Hand nicht mehr gegen mich. Im Kampf hätte ich leichtes Spiel mit ihm. Ich könnte ihn niederstrecken mit einem einzigen Schlag, ihn töten mit meinen bloßen Fäusten. lind ihn habe ich einst gefürchtet, vor ihm habe ich gezittert!
    »Ich hoffe, Ihr erfreut Euch bester Gesundheit«, sagte er höflich, »und Eure Herden wachsen und gedeihen!«
    »Der Sommer ist zu heiß und zu trocken, und im Frühjahr hat es so gut wie nicht geregnet, unsere eigene Ernte wird schlecht werden, die der Bauern natürlich auch, das drückt das Ausmaß der Abgaben. Und was fast schlimmer ist: Die Trockenheit läßt das Futter knapp werden, und die Hirten müssen ihre Kunst erweisen, um noch ausreichend Tränken für die Herden zu finden«, erwiderte der Vater. »Doch davon jetzt nicht. Früh genug wirst du dich darum zu kümmern haben. Denn ich muß dir sagen: Die Zeit deines wilden Wolfslebens ist bald vorbei. Nicht lange mehr wirst du im Wald bleiben. Nicht lange mehr wirst du der Jagd und dem Kampf leben. Nicht lange mehr wirst du ein Wolfskrieger sein.«
    Lykos horchte auf: »Wie meint Ihr das, Herr?«
    »Ich fühle die Kälte des Todes. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem du mein Erbe antreten wirst. In Kürze wird es für dich Zeit, das Wolfsfell abzulegen, den roten Mantel mit dem schwarzen zu tauschen, eine Frau zu nehmen, Vieh zu züchten, diesem Hause vorzustehen und deinen Platz im Königsrat einzunehmen.
    Bereite dich auf den Tag vor, an dem Lykos der Wolf im Feuer der Verwandlung sterben und Lykos der Herr durch Blut und Wasser geboren wird!«
    Lykos schwieg. Er hatte immer gewußt, daß dieser Tag kommen würde. Nun begriff er selbst nicht: Sollte er stolz sein oder betrübt?
    Die Tür öffnete sich mit lautem Ächzen. Noedia kam herein, brachte Met und Fleisch, Brot und Bohnen. Sie kniete bei ihnen nieder, wusch ihnen die Hände über der Wasserschale, schenkte Met ein, legte die Speisen vor, dann verließ sie wieder den Raum.
    Der Vater lud die Himmlischen zum Mahl, sprengte ihnen Met ins Feuer, legte ihnen das beste Fleischstück in die Glut. Dann forderte er Lykos zum Essen auf. Lykos, von Hunger und Durst überwältigt, langte mit beiden Händen zu, aß viel, trank noch mehr, trank viel zu schnell. Sein Gesicht rötete sich. Der Vater fragte nach der Jagd. Prahlend erzählte Lykos von dem Keiler, den er am Morgen erlegt hatte, und wies die gewaltigen Hauer vor, die er – ehe er Zeit fände, sie zu spalten und zu durchbohren – an einer Schnur verknotet um den Hals trug. Der Vater nickte zerstreut.
    Lykos schüttete den Met in sich hinein.
    Der Vater war schweigsam, als warte er auf etwas. Dann endlich begann er zu sprechen: »Warum ich nach dir gesandt habe, Lykos – ich will, daß du eine Aufgabe erfüllst, für die ich zu alt bin. Und die auch besser von dem erfüllt wird, der hier bald Herr sein wird. Ich will, daß du mit deinen Wolfsbrüdern einige meiner Bauern bestrafst.«
    Spott zuckte in Lykos auf. So schwach bist du schon, Vater, daß du mich brauchst, um deine Bauern zu bestrafen?!
    Nur mit Mühe unterdrückte er ein höhnisches Grinsen.
    »Ehe du das Wolfsfell ablegst«, fuhr der Vater fort, »präge das Brandmal deiner Stärke unauslöschlich in ihre Gemüter, damit sie ihren Herrn beizeiten kennen lernen!«
    Lykos nickte und nahm einen Schluck. »Worum

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