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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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geht es?«
    »Um die Bauern in den Höfen hinter dem Schwarzmoor. Sie liefern mir von Jahr zu Jahr weniger Getreide. Sicher, es fehlt an Regen, und die Ernteerträge werden schmäler, dieses Jahr besonders. Dennoch habe ich sie im Verdacht, Vorräte vor mir zu verbergen. Und was gefährlicher ist: Sie üben heimlichen Widerstand!«
    »Widerstand?« fragte Lykos ungläubig. Seine Zunge formte die Worte nur noch mit Mühe.
    »Wenn ich es sage! Kürzlich habe ich mein Pferd durch ihre Schuld verloren, den Schimmel, der mir mehr bedeutet hat als alles. Ich habe im Dorf hinter dem Schwarzmoor nach dem Rechten gesehen, ich hatte ihn in einem der Bauernhöfe angebunden, und als ich zurückritt, brach er zusammen, mitten im Moor, es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre selbst zu Schaden gekommen, den Hengst mußte ich töten, ich bin sicher, er wurde vergiftet – von den Bauern, von wem sonst!«
    Lykos sprang auf, schwankte. Wut blitzte in seinen Augen. »Dein Schimmel! Kein Fohlen habe ich so geliebt! Wie können diese Bauern das wagen!«
    »Es sind ihre Weiber, die sie dazu anstacheln«, sagte der Vater. »Höre auf mein Vermächtnis, Lykos, das ich seit langem in mir trage. Ich sage es dir im Vertrauen, denn du sollst es für die Zukunft wissen: Es sind die Weiber, die hinter der Aufsässigkeit und den Anschlägen der Bauern stecken! Sie sind der wahre Gegner. Wenn du der Bauern Herr werden willst, so werde ihrer Weiber Herr!«
    »Ihrer Weiber?« Lykos leerte mit einem Zug einen ganzen Becher Met, lachte. Schwankend setzte er sich wieder. »Was sollen ein paar Weiber ausrichten?! Das verstehe ich nicht.«
    »Nein, das verstehst du nicht. Auch ich habe lange gebraucht, es zu begreifen. Aber lerne aus meiner Erfahrung! Die Weiber sind es, die unter den Bauern die Erinnerung an die alte Zeit wachhalten, als unsere Väter noch nicht Besitz von diesem Land genommen hatten. Die Weiber sind es, die ihre Kinder die alte Sprache lehren und die Ehrfurcht vor ihrer Schwarzen Göttin. Die Weiber sind es, die den Himmlischen lästern und den gräßlichen Kult ihrer Schwarzen Göttin pflegen. Die Weiber sind es, die mit ihren lüsternen Ausschweifungen jede Sitte höhnen und die Gier ihrer Männer so anstacheln, daß diese ihnen hilflos verfallen. Die Weiber sind es, die ihren Männern einflüstern, wir seien Eindringlinge und nicht die rechtmäßigen Herren dieses Landes.
    Brich die Kraft der Weiber – und du rottest die Wurzel des Widerstandes aus!«
    »Die Kraft der Weiber brechen?« Lykos lachte immer lauter. Er spürte den Taumel im Kopf, die Hitze in den Lenden. »Da weiß ich ein Mittel, das nie versagt!
    Seid unbesorgt, Vater, gleich morgen, auf dem Weg zum Gastmahl des Rösos, werden meine Wolfsbrüder und ich diese Bauernhöfe hinter dem Schwarzmoor heimsuchen. Und wenn wir wieder von ihnen ablassen, wird jeder dort mich kennengelernt haben, und niemandem wird mehr der Sinn nach Widerstand stehen, schon gar keinem Weib!«
    »Da er dies alles vollbracht, da bettet zum Schlummer sich Trito,
    gibt sich den Schwingen des Schlafs hin, der nimmer ermüdende Krieger.
    Wir nun der Geist unsres Helden noch weilet in Traumes
    Gefilden
    und seine Glieder noch liegen von sanfter Süße umfangen, da erhebt sich die Schlange, die lauernd im Sumpfe gelegen,
    recket die dreifachen Köpfe der wütend grimmige Drache. Feuer entglimmt seinen Augen, und Rauch entsteigt seinem Rachen,
    fauchend naht er sich furchtbar des Schlafenden viehreicher Herde,
    treibt mit dem Schweife das Vieh und die Lämmer tragenden Schafe.
    Keinerlei Laut warnt den Helden, kein Bellen den schlummernden Krieger,
    weg führt der gräßliche Drache die Schafe und Rinder und Pferde.
    Was einst die Himmlischen gütig dem Helden zu eigen geschenket,
    stiehlt nun der gierigen Schlange gar niemals ersättliche Raublust.
    Hin zu der Höhle im Berge, in unwegsames Gelände, treibet der Drache das Vieh, so versteckt und verbirgt er die Herde,
    sichert mit dreifachem Tor das Geraubte, versperrt es mit Balken,
    ruft drauf zur Wache die Hunde, die wütend noch jeden zerrissen,
    der je sich ihnen genähert, und sei es im arglosen Guten.«
    Der Sänger hielt inne, raffte sein weißes Gewand, ließ seinen Blick über die Gäste gleiten, über den König zunächst, dann über Rösos und die anderen weißgekleideten Greise zu des Königs Rechten, hochverehrte Männer, die ihr Alter zum Amt der Richter und Priester auszeichnete, wartete auf deren kaum merkliches Nicken der

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