Die goldene Galeere
befand, machte Mythor rasend vor Wut und Angst.
Er vernachlässigte seine Verteidigung, um die Angreifer herauf zu locken, und sie waren kopflos genug, dichtgedrängt nach oben zu stürmen. Mythor wartete, bis der erste von ihnen auf der Galerie war und der letzte auf der Treppe nachdrängte. Dann sprang er über die Brüstung in die Tiefe.
Als die Angreifer erkannten, dass sie ins Leere stießen, gaben sie eine Reihe unmenschlicher Laute von sich.
Mythor hatte nun einen genügend großen Vorsprung und freie Bahn, denn Nigomir stand immer noch wie ein unbeteiligter Zuschauer vor seiner Kajüte und stellte ihm nichts in den Weg. Der Eisländer sah unbewegt zu, wie Mythor sich der Laderaumklappe näherte.
Irgendetwas ließ Mythor kurz zögern. Es war nicht das Geschrei, das vom Ufer übers Meer schallte, das ihn ablenkte. Er vermerkte nur nebenbei, dass die barbarische Reiterhorde auf Höhe der Goldenen Galeere die Dünen kreuz und quer durchpflügte. Sie stießen dabei ein zorniges Geheul aus und schwangen ungestüm ihre Waffen. Einige der Barbaren trieben ihre Pferde in die Fluten, kehrten jedoch immer wieder um, als sie einsahen, wie aussichtslos ihr Unterfangen war, das Schiff auf diese Weise zu erreichen. Andere wiederum preschten auf die Landzunge hinaus, um so der Goldenen Galeere näher zu kommen. Aber auch sie mussten einsehen, dass das Schiff für sie unerreichbar war. Mythor konnte sich vorstellen, wie sehr sich diese Wilden mit ihrer zügellosen Wut gegenseitig aufstachelten.
Aber er hatte andere Sorgen. Da war die Klappe. Mythor verhielt den Schritt. Etwas stimmte nicht. Was hatte er übersehen? Was hatte er nicht bedacht?
Sein Kampf gegen Nigomirs seelenlose Mannschaft war aussichtslos. Er konnte nur von Bord gehen - oder fallen. Ersteres würde er nicht ohne Nyala tun, und in letzterem Fall wollte er wenigstens noch den caerischen Dämonenpriester mit ins Verderben reißen.
Mythor war entschlossen, Drundyr diesmal den Garaus zu machen. Er bückte sich nach der Klappe - da öffnete sie sich von selbst.
Nyala erschien im Schacht.
Mythor wollte sie schon schützend an sich ziehen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. Denn hinter ihr tauchte eine zweite Gestalt auf.
Es war Drundyr.
*
Mythor wich entsetzt einen Schritt zurück. Nyala war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Um die Augen hatte sie dunkle Ringe. Das volle, ovale Gesicht war eingefallen, ihre Haut aschgrau - jedoch ohne den bläulichen Gletscherschimmer. Ihre Lippen, die für Mythor der Inbegriff von Sinnlichkeit gewesen waren, wirkten blutleer und wie ausgetrocknet. Sein Entsetzen wechselte zu Mitleid und Schmerz. Es zog ihn wieder zu ihr, doch die eisige Wolke, die sie umhüllte, ließ ihn erneut zurückprallen.
Nyala war auf eine eigene Weise immer noch schön, aber es war mehr die Schönheit einer vollendet geformten Puppe. Sie hatte nicht mehr die Ausstrahlung des Weiblichen, nichts Begehrenswertes mehr.
Als sie in voller Größe an Deck kam, da hatte sie für Mythor etwas von einem Boten der Finsternis an sich.
Drundyr, der ihr dichtauf gefolgt war, stellte sich neben sie. Mythor wurde mit einem Schlag klar, was ihn ins Bewusstsein zurückgerufen hatte. Er hatte die Lebenskraft in sich aufgenommen, die Nyala entzogen worden war.
Drundyr erschien in voller Priesterkleidung. Sein starres Gesicht mit den unheimlichen Augen verschwand fast unter dem knochenverzierten Spitzhelm. Sein schwarzer, silberbestickter Mantel schlotterte um seine hohe, dürre Gestalt. Darunter sah das geschwärzte Lederschuhwerk hervor. Die Handschuhe aus dem gleichen Material, das geschwärzten Knochen glich, ragten seitlich aus den Mantelschlitzen. Der Caer-Priester stand wie schwebend da, und er erweckte den Anschein, als könne ihn der leiseste Windstoß umwerfen. Aber es regte sich kein Lüftchen, alles schien auf dem Schiff unter dem Einfluss dämonischer Mächte erstarrt zu sein.
Auch Mythor war zu keiner sinnvollen Handlung fähig, was jedoch weniger auf Magie zurückzuführen war, sondern einfach daher kam, dass er alle Hoffnung fahrenließ. Er erkannte nun, dass Nyala für ihn verloren war. Sie stand im Schatten Drundyrs.
Mythors Lähmung machte ihn zu einer leichten Beute für die Seelenlosen, die ihm plötzlich in den Rücken fielen und ihn niederknüppelten. Als sie ihn wieder auf die Beine zerrten, spürte er an seinem Rückgrat den Schaft einer Hakenlanze, und seine nach hinten gebogenen Arme waren daran gefesselt. Er musste den
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