Die goldene Göttin
in diesem verfluchten Tempel. Im Namen Nodiesops, was kann ich tun, um bei ihrer Zerstörung mitzuhelfen?«
Er legte seine Hände auf ihre Schultern und blickte ihr forschend in die Augen. Er wußte nicht recht, was er sagen sollte. Ihr Kampf galt allein der goldenen Göttin, und wie sie es sah, war sein Ziel das gleiche. Er entsann sich seiner früheren Überlegungen, wie hübsch es wäre, wenn die fanatischen Anhänger Nodiesops ihn für ihren lange herbeigesehnten Rächer hielten; und wie er geplant hatte, sie für seine Zwecke einzuspannen, wenn die Situation es rechtfertigte: als einen zur Mordlust angestachelten Mob, der den Zeitverletzer stürzen würde. Aber die Bevölkerung hatte keinen Grund, gegen Kronos aufzubegehren. Was R’cagn anging – das war eine andere Sache; dieses Ungeheuer würden sie ohne viel Federlesens in Stücke reißen. Aber Kronos selber, gleichgültig, welches seine Motive sein mochten, hatte ihnen bei weitem mehr Gutes getan als Schaden zugefügt. Ihre Kinder konnten sich jeden Tag sattessen; Vollbeschäftigung war eine Realität, kein leeres Versprechen; sie hatten mehr Zeit für Vergnügungen und Erholung als die Mitglieder irgendeiner anderen bronzezeitlichen Gesellschaft. Verglichen mit ihrem früheren Dasein und dem anderer Völker führten sie ein glückliches und sorgloses Leben.
Dann dachte er an seine eigenen Zeitgenossen, nicht bloß hunderttausend Menschen auf einem Inselkontinent in der Mitte des Atlantiks, sondern hundert Milliarden, verteilt über die Planeten der Galaktischen Föderation, die von Agenten wie ihm abhingen, damit die historischen Entwicklungslinien geschützt wurden, die ihre Existenz trugen. Es konnte keine Frage sein, wem seine Loyalität galt.
»Norni«, sagte er sanft, »Yolarabas mag eine schlechte Göttin sein, wie du sagst, aber sie ist nicht mein Ziel. Ich wurde hierher geschickt, um Kronos zu vernichten.«
Sie blickte ihn erschrocken an. Ihr Körper straffte sich, dann wandte sie rasch den Kopf zur Seite. »Herr, aber du sagtest …«, fing sie an. Sie brach ab, warf ihm einen suchenden Blick zu und sah seine Augen. »Vergib mir, Herr, daß ich an dir zweifelte, auch wenn es nur für einen Moment war«, murmelte sie demütig. »Was kann ich tun, um dir zu helfen?«
Er drückte sie an seine Brust, dankbar, daß Webley anderswo zu tun hatte, denn der respektlose Symbiont würde in diesem Moment wenig Geduld mit ihm haben. Er barg sein Gesicht in Nornis Haar, sog seinen Duft ein … und dann kam die Ernüchterung: Ich kann es mir nicht leisten.
Auch Norni hatte mit sich gerungen. Nun begann sie leise und stockend zu sprechen.
»Ich habe dich angelogen, Herr. Wenn man den größten Teil seines Lebens keinem vertrauen durfte, kann man einem Fremden nicht plötzlich sein Vertrauen schenken, selbst wenn man es möchte. Nein, bitte unterbrich mich nicht, Herr. Das verrückte Mädchen in den Bergen, die Klippe, von der sie sich ins Meer stürzte, das alte Paar, mein Plan, die Zwillinge zu retten, die Geschichte, wie ich Llahwen begegnete – alles das erfand ich, während du schliefst, angefangen mit dem Strand, an dem ich aufgefunden wurde, bis zu den Gebeinen, die ich dort vergrub. Ich habe nicht Nornis Namen angenommen – ich bin Norni, die Zwillingsschwester derjenigen, die tot hinter dir liegt. Ich war es nicht, die Llahwen überzeugte, daß wir sicher wären, wenn wir von einem Ort zum anderen zögen; er war es, der mir das klarmachte. Gibelnusnu brachte ihn dazu, das Boot auszurüsten.«
»Und der Untergang und alles, was danach kam?«
»Das Schiff ging unter, wie ich dir erzählte, Herr, nur waren bloß zwei von uns an Bord, nicht drei. Ich sah meinen Großvater in der See versinken, und es war, als ob Ylni ihn eigenhändig getötet hätte, denn ohne sie wäre er an jenem Tag sicher zu Hause gewesen. Ich schwor Vergeltung, ja, aber Vergeltung für Llahwen und niemand sonst. Heute habe ich meinen Schwur erfüllt.«
»Warum, Norni?« fragte er und bog ihren Kopf zurück, damit er ihr Gesicht sehen konnte. »Warum erzählst du mir so eine Geschichte? Ich muß dir sagen, daß du deine Sache gut gemacht hast – alles hübsch ausgedacht. Aber was war noch erfunden?«
»Alles andere ist wahr, Herr.«
Seine Augen blickten hart drein. Ihre Märchenerzählung hätte sie beide das Leben kosten können. »Du hast mir noch immer nicht gesagt, warum«, erinnerte er sie.
»Aus dem gleichen Grund, warum ich dir dies sage«, flüsterte sie. »Ich
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