Die goldene Königin
auf Euch alle das Gefängnis«, erklärte Alix mit Nachdruck.
Während die Kutsche sie zurück nach Tours brachte, schliefen Angela und Arnaude ausgestreckt auf den Sitzen. Doch Alix konnte keinen Schlaf finden. Die neuen Anschuldigungen, die sich mit der Zeit zu festigen drohten, beunruhigten sie. Plötzlich sehnte sie sich nach Mathias, Nicolas und ihren Töchtern.
Noch immer liebte sie es, durch Frankreich, Flandern und Italien zu reisen, wohin sie die Renaissance und ihre groÃen Kunstwerke führten, doch seit einiger Zeit wünschte sie sich, mehr bei ihrer Familie zu sein.
Da Alix viel zu tun hatte und nicht mehr so viel reiste wie früher, richtete sie ihr Augenmerk stärker auf das Geschäft und prüfte bei jedem Handel genau, was er ihr brachte.
So wusste Alix, als sie die Familie dâAlvergne einstellte, dass Baptiste das Gold besorgen konnte, das sie zum Weben ihrer Meisterwerke benötigte. Denn genau wie seine Mutter Louise dâAngoulême bekam der junge König gar nicht genug von schönen Wandbehängen. Wenn es darum ging, seine Wünsche zu erfüllen, war ihm nichts zu prunkvoll. In den Festkleidern auf seinen Wandteppichen sollten ebenso Goldfäden schillern wie in seiner eigenen Kleidung. Und wenn Alix die Weberin des jungen Königs bleiben wollte, tat sie gut daran, ihn nicht zu enttäuschen.
Das wusste auch Baptiste. Wie so viele andere Italiener, die sich in Paris, Lyon oder dem Val de Loire niedergelassen hatten, war er mit seiner Familie aus Florenz gekommen, um der Renaissance in Frankreich zur vollen Blüte zu verhelfen. Um den benötigten Goldfaden zu besorgen, suchte er nur die besten Händler auf, die aus dem Orient stammten.
Weil es verboten war, Goldstücke oder andere Gegenstände aus massivem Gold zu schmelzen, um daraus Fäden herzustellen, wurden kleine Barren aus purem Gold in speziellen Maschinen zuerst geschmolzen und anschlieÃend zu Fäden gesponnen. Diese verarbeitete man sodann zu Stoffen oder benutzte sie für Stickereien oder um Teppiche zu weben â für den König, die Kirchen und die Herrschaften bei Hofe.
Als Angestellter von Alix machte Baptiste kein schlechtes Geschäft. Genau wie Julio mit seinem Verkaufskontor war er mit der Zeit eine Art Teilhaber geworden. Er arbeitete direkt mit Julio Le Romain zusammen, dessen italienische Wurzeln ihn hin und wieder in den Vatikan verschlugen, wo der Onkel von Alix, Jean de Villiers, lange einen Sitz als Kardinal innegehabt hatte.
Stumm, verwirrt und eingeklemmt in der Kutsche, die über die unebenen Wege schaukelte, lauschte Alix auf die Hufschläge der Pferde und seufzte. Die Gerichtsverhandlung hatte sie ermüdet und ihre Nerven strapaziert. Andauernd musste sie daran denken, welchen Angriffen sie ausgesetzt gewesen war. Dieser Bellinois war ein hartnäckiger Kerl, der sie nicht gewinnen lassen wollte. Er musste seinen Männern befohlen haben, Leo zu töten oder zumindest schwer zu verletzen, um Alix daran zu hindern, vor dem Richter zu erscheinen.
Deshalb dachte sie mehr und mehr daran, den König um Hilfe zu bitten und ihre Tochter zu beauftragen, darüber mit der Comtesse dâAngoulême zu sprechen, wenn sie sich am Hof in Blois oder Amboise aufhielt.
Doch Alix verschob den Gedanken auf später. Sie sehnte sich nach Mathias. In seinen Armen würde sie ihr Gleichgewicht wiederfinden. Mathias würde ihr beruhigende Worte ins Ohr flüstern und ein Lächeln zurück auf ihre Lippen zaubern.
Mathias hatte häufig sehr kluge Ideen, war allerdings weniger wagemutig als Alix und riskierte nicht so viel. Neben den Werkstätten waren auch die beiden Kontore von Alix voll ausgelastet. Das eine befand sich in Brüssel und wurde von einer Gruppe in Flandern ansässiger Genueser geleitet. Das andere lag in Tours in den Händen von Julio. Beide erbrachten gute Einnahmen.
AuÃerdem war es Alix gelungen, eine flämische Produktion im Val de Loire zu veräuÃern sowie eine Produktion aus Tours in Flandern. Sobald eines ihrer Geschäfte nachlieÃ, zog das andere an.
Das Kontor im Val de Loire lief so gut, dass Julio, auch wenn er später seine beiden Töchter Marie und Lucie mit in den Laden nehmen wollte, immer noch Personal benötigte, was sich als schwierig erwies, da er keine Arbeiter suchte.
Unter dem neuen König, der nicht auf Ausgaben achtete, würde die Webkunst in den kommenden
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