Die goldene Königin
Jahrzehnten kaum nachlassen. Vielmehr verlagerte sie sich aus der Provinz in die Hauptstadt. Seit François I. den Thron bestiegen hatte, begab sich der Hof auf lange Reisen und führte dabei alles Wertvolle mit sich, vor allem die groÃen und schönen königlichen Wandbehänge. François I. bestellte so viele von ihnen, dass er dazu all seine Lieferanten benötigte, die verstreut in Brüssel, Paris und Tours saÃen.
Die Webproduktion der Cassex stand dabei sicher nicht im Abseits. Die schönsten Werke kommen aus Tours, hieà es! Denn ganz genau wie Alix galt Mathias als bedeutender Weber, und Nicolas, sein Sohn, war auf dem besten Weg, in die FuÃstapfen seines Vaters zu treten.
Zurzeit stand der junge Mann vor diversen Entscheidungen und beabsichtigte sogar, bestärkt von seinem Vater und seiner Stiefmutter, nach Flandern zu reisen, um sein Werk der Gesellenbruderschaft des Nordens zu präsentieren. Die Flamen galten noch immer als Meister der Webkunst, sowohl von Stoffen und Tüchern als auch von Wandbehängen. RegelmäÃig fanden in Flandern groÃe Messen statt, zu denen alle Zünfte des Textilhandwerks anreisten und die die bedeutendsten Künstler, Illuminierer, Maler und Kartonzeichner anzogen. Hier schlossen sie mit ihren Geldgebern Verträge über den Verkauf ihrer Zeichnungen.
Der König lieà in Brüssel, in Dornick und in Enghien riesige Teppiche zu biblischen und weltlichen Themen fertigen. Mit Christen, Heiligen, Jungfrauen und auÃergewöhnlichen Jagdszenen, die er gern von Schloss zu Schloss mitnahm und von Stadt zu Stadt. Sogar als er sich in Lyon auf den Italienfeldzug vorbereitete, hatte er sie mitgenommen, damit jeder sie bewunderte und sich sagte, dass er ein groÃer Monarch sein musste, da er so schöne Stücke besaÃ.
Der König führte sie auch mit sich, wenn er zu seiner Schwester Marguerite auf ihr Schloss in Alençon reiste, wo sie seit ihrer Hochzeit lebte, wenn ihr Bruder, der es nur schlecht ohne sie aushielt, sie nicht gerade zu sich an den Hof von Blois rief.
Alix kannte Alençon gut, denn sie brachte häufig ihre Tochter Mathilde dorthin, wenn Duchesse Marguerite nach ihr verlangte â was der Heranwachsenden sehr wohl gefiel, die es nie lange an einem Ort hielt. Stets war sie bereit, sich dorthin zu begeben, wohin der Wind sie trug. Es war ganz gewiss ein günstiger Wind, denn er führte sie in den Dunstkreis des französischen Königs und seiner Schwester, der Duchesse dâAlençon.
Gott! Wie sehr Alix Mathilde liebte, doch Mathildes Zwillingsschwester Valentine brauchte Alix genauso sehr! Ja, wie die Luft zum Atmen. Valentine webte wahre Meisterwerke. Sie konzentrierte sich ganz auf ihre Kunst und ging in ihren Zeichnungen, Farben und Ideen auf. Sie musste Nicolas nur eine Weile zusehen, und kurz darauf webte sie seine Arbeit fast genauso nach, so etwa kleine zierende Motive: ein Pferd, einen Vogel, einen Hasen, eine Blume oder eine Wolke.
Valentine und Nicolas konnten nicht ohneeinander sein. Darüber war Mathilde untröstlich, die sich gewünscht hätte, dass ihre Zwillingsschwester nur Augen für sie gehabt hätte. So aà sie von den fürstlichen Tellern von Marguerite dâAlençon und plauderte mit ihr in fremden Sprachen, um sich darüber hinwegzutrösten, dass sie von der tiefen Vertrautheit zwischen Valentine und Nicolas ausgeschlossen war.
Doch auch die Zwillinge hielten es kaum ohneeinander aus und waren äuÃerst beunruhigt, wenn sie voneinander getrennt waren. Kaum hatte Mathilde ihre Zwillingsschwester verlassen, freute sie sich auch schon auf ihre Rückkehr, doch kaum war sie mit Valentine zusammen, langweilte sie sich in der Werkstatt und sehnte sich danach erneut fortzufahren.
Hatte Mathilde denn nur so wenig für das übrig, was das Leben von Valentine ausmachte? Das Weben, die Wandteppiche, die Zeichnungen und die Arbeiter? Für Guillemin, den Sohn von Arnold und Arnaude, den Junggesellen Landry, Grégoire und seine junge Frau Odinette. Für Etienne, den ewigen Jüngling, Albin, der sich gerade mit der stürmischen Marinette verlobt hatte, und Philippe, den Mann von Tania.
Blieb noch Pierrot, den Alix als Jugendlichen aufgenommen hatte, als er Unterkunft und Arbeit suchte. Heute war er mit Francesca verheiratet, der Nichte von Baptiste.
Betrachtete Mathilde diese groÃe Familie denn nicht als die ihre, so oft wie sie
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