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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Gedanken. Wie konnte Marguerite zulassen, dass das Kind sich derart seinen Phantasien hingab? Sah sie denn nicht, dass Mathilde sich ge fährlich in eine Idee verstieg, die so phantastisch war, dass sie ihr nur schaden konnte? Aber so war Marguerite. Über nichts sprac h sie lieber als über die Ausstrahlung ihres Bruders, über seine Aur a oder sein Ansehen. Dann verschloss sie vor allem anderen die Augen, als gäbe es nichts Wichtigeres für sie, als dass François unaufhörlich bewundert wurde.
    Alix zuckte mit den Schultern.
    Â»Los, Mathilde! Hör auf, an den König zu denken, und web deinen Schussfaden, wie ich es dir gezeigt habe.«
    Sie ließ die Hand des Mädchens los.
    Â»Du kannst das. Das weiß ich.«
    Â»Natürlich kann ich es.«
    Erstaunt über Mathildes Antwort, drehte Alix den Kopf und bemerkte, dass Nicolas sich hinter Valentine gestellt hatte und ihre Arbeit betrachtete. Er bewunderte einige Zeit den Rand, den sie mit ihrem Schussfaden webte.
    Â»Nicolas!«, rief Mathilde herrisch, »sieh dir meine Arbeit an.«
    Â»Aber du hast noch nichts geschafft«, entgegnete Nicolas. »Sieh dir Valentine an. Sie ist fast fertig mit dem Stück, das sie heute Morgen begonnen hat.«
    Â»Ich habe sogar die Farben ausgesucht«, verkündete das Mädchen stolz. »Keine ist wie die andere.«
    Zufrieden deutete Valentine auf den oberen Rand ihrer Arbeit.
    Â»Sieh, da habe ich Wolle mit einem Seidenfaden gemischt. Zum ersten Mal habe ich Wolle, Leinen und Seide miteinander verwoben. Das hat Arnaude mir gezeigt.«
    Die alte Frau sah zu Valentine und lächelte sie an.
    Â»Das ist wunderschön«, rief Mathilde entzückt aus, während sie aufstand, um sich neben Nicolas zu stellen und die hübsche Arbeit ihrer Schwester zu bewundern. »Du wirst eine große Weberin. Ach Nicolas, warum bin ich nicht genauso begabt wie Valentine?«
    Â»Weil du zu unaufmerksam bist und dich nicht genug bemühst. Wenn du weniger an deinen François denken würdest, wäre deine Arbeit auch besser.«
    Mathilde stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Â»Du denkst doch auch an Valentine!«
    Nicolas zuckte mit der Schulter. Was sollte er antworten? Dass es nicht stimmte? Sie hatte recht. Valentine war sein Leben, sein Atem, das Glück seines Lebens. Nichts konnte daran etwas ändern. Ihre ständige Nähe beruhigte ihn und löste in ihm ein fortdauerndes Hochgefühl aus. Wenn er Valentine in die Augen sah, spiegelte sich darin sein Universum, und wenn sie gemeinsam lächelten, zeigte sich darin ihrer beider Liebe.
    In der anderen Werkstatt, zu der die Tür offen stand, damit man sich leichter verständigen konnte, hörte man die Webstühle arbeiten. Vor dem Hochwebstuhl stand Mathias und bediente einen der Hebel, die den vertikalen Schussfaden spannten. Ein guter Weber, hatte Alix ihrer Tochter erklärt, schuf zugleich das Muster und den Stoff, der es zur Geltung brachte, und nahm gegebenenfalls kleine Änderungen an der Zeichnung vor.
    Die schlichte und richtige Antwort von Mathilde drang bis an Mathias’ Ohren. Ja! Nicolas dachte an Valentine! Aber wie hätte es auch anders sein können, nachdem er sich seit seiner Kindheit über das kleine Mädchen gebeugt und sie beschützt hatte.
    Mathias hielt einen Augenblick in seiner Arbeit inne, drehte den Kopf zu Nicolas, den er durch die offen stehende Tür hinter Valentine sah, lächelte und nahm seine Arbeit wieder auf. Auf den Hochwebstuhl war ein Stoff gespannt, auf dem sich wundervolle große Tiere bewegten. Dort fand sich ein für die Zeit erstaunlich vollständiges Tierreich, an dem Mathias mit Philippe und Landry arbeitete.
    Auf einem Hochwebstuhl entstand ein Wandteppich, auf dem wunderschöne Allegorien antiken Themen huldigten, die die Florentiner so sehr schätzten. Solche Wandteppiche stammten häufig aus flämischer Herstellung, waren jedoch von Italien inspiriert und feierten die Tugenden des Lebens: Kraft, Mut, Hoffnung, Ehre, Moral. Die Teppiche bedeckten die riesigen Wände der Schlösser und erzählten Geschichten von Mose, David und Abraham oder von Cäsar, Pompeji, Ulysses und Jason.
    Etienne und Albin, die erst seit Kurzem angestellt waren, arbeiteten auf einem Flachwebstuhl an einer Landschaft, während Pierrot ein defektes Webschiffchen reparierte. Etienne arbeitete mit sicherer Hand. Ihr Karton, den sie im Hintergrund

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