Die goldene Pyramide
Mund verzog sich unter verzehrender Bitterkeit. „Oh, die einst so stolze, gewaltige Urrasse! Einst unglaublich hoch, und heute nur Schmutz unter den Füßen der emporgekommenen Affen! Ruinen, die um Nikotin und sonstige Rauschgifte betteln, um ihren Geist immer nachhaltiger zerstören zu lassen – und dennoch auch heute noch im Besitz eines Restes der Erinnerung ihrer alten Größe.“
„Ich glaube zu verstehen, was Sie meinen“, erwiderte Thorn ruhig. „Einige von ihnen waren vernünftig genug, den Giften zu entsagen und sich nicht zugrunde richten zu lassen. Und sie sind weiterhin vernünftig genug, sich vor den Menschen zu verbergen und sich mit einem Schutzwall des Geheimnisses zu umgeben. Aber das kann nicht von Dauer sein.“
„Nein?“
„Nein. Die Menschen werden auch hierher kommen, mehr und immer mehr. Tausende werden es sein, wo es heute Hunderte sind. Millionen. Und sie werden die Venus in Besitz nehmen, die Urwälder ausroden, den Boden bebauen und alle Gefahren verjagen. Dann werden sich die Eingeborenen nicht mehr verstecken können. Sie werden sich ihren Überwindern anpassen müssen – oder sterben.“
Unbewegt blickte er in das gequälte Gesicht des Fremden.
„Wer sind Sie? Sie gehören doch nicht zu den Eingeborenen. Sie können die Gedanken lesen oder doch mindestens mir Dinge sagen, die niemand weiß als ich selbst. Woher wußten Sie, daß ich der Meinung war, die äußeren Blocks seien nur äußerlich vergoldet? Woher wußten Sie von meiner Vermutung, die Türen gehorchten physiochemischer Steuerung? Woher, daß ich mit einem Hartnell-Gewehr darauf geschossen habe? Was bedeutete das Ske lett eines unbekannten Tieres im Tunneleingang, und warum war die Außentür mit Holzbohlen und Erdreich verbarrikadiert?“
Der Fremde zuckte die Schultern.
„Das Tier lebte eben hier, und die degenerierten Überlebenden der Urrasse haben die Barriere errichtet, um sich vor den Überfällen des Ungeheuers zu schützen. Auf eine Lebensform dieser Art blieb nämlich die Kraftfeldstrahlung ohne Wirkung. Es gibt nur noch wenige Exemplare dieses uralten Tieres; eines davon haben Sie ja auf dem Wege hierher getötet.“
„So also ist das. Nun, das erklärt manches, aber die wesentliche Frage ist noch immer unbeantwortet. Wer sind Sie denn?“
„Ein Eingeborener.“
„Unmöglich.“ Thorn schüttelte den Kopf. „Gewiß, Sie sehen Ihnen ein bißchen ähnlich, das gebe ich zu – aber mehr doch nicht. Die Eingeborenen sind degeneriert, Sie hingegen …“ Seine Stimme verklang, schweigend blickte er die hochgewachsene Gestalt des Fremden an, und seine grauen Augen wurden plötzlich schmal, als käme ihm ein Verdacht.
Cleon nickte.
„Aber ich glaube es einfach nicht!“ Thorn schien eher sich selbst als den Fremden mit seinen Worten überzeugen zu wol len. „Das ist vollkommen unmöglich!“
„Meinen Sie? Warum denn?“
„Nun, vor allem wegen der Zeit. Tausende von Jahren. Das kann doch nicht sein.“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, daß Expeditionen zu fernen Sternen aufgebrochen waren. Lange, sehr lange Zeit brauchten Schiffe, um ihr Ziel zu erreichen. Viele Jahre verbrachten sie draußen, stellten ihre Forschungen an, und riesige Zeiträume benötigten sie endlich für die Heimkehr. Und als sie zurück waren, da mußten sie feststellen, daß die Herrschaft über das Sonnensystem von einer ursprünglich primitiven Rasse übernommen und die Urrasse versunken war. Da machten sie sich sofort wieder auf, sandten Kundschafter auf alle Planeten, und einer fand das lenkende Funkfeuer. Nun, da landeten sie hier – und so bin auch ich hierhergekommen.“
„Sie sind also ein Angehöriger der Urrasse? Einer der ursprünglichen Herrscher des Sonnensystems?“
Cleon nickte.
„Aber die anderen?“ Stirnrunzelnd blickte Thorn den Fremden an. „Sie sagten vorhin, einige der Schiffe seien von den fernen Sternen zurückgekehrt. Also muß es doch noch andere Überlebende gegeben haben? Wo sind die denn?“
„Zwei Schiffe sind zurückgekehrt“, erwiderte Cleon ganz ruhig. „Ein drittes steht noch aus. Wir erwarten es jeden Augenblick. Seit Jahren warten wir nun darauf, und wir werden warten, solange wir können. Sobald sich die versprengten Gruppen der Urrasse hier neu zusammengefunden haben, wollen wir das Sonnensystem verlassen, wollen es den neuen Besitzern nicht streitig machen, und wieder einem fernen Stern zusteuern, um dort eine ganz neue Zivilisation aufzubauen. Es ist nicht ratsam, daß
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