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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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akzeptieren. Ein Gutes hatte die Begegnung mit Gideon jedoch für sie beide, denn sie besaßen jetzt genug Gesprächsstoff, um die Meilen, die sie zurücklegten, nicht mehr so stark zu spüren und auch die Hitze nicht, die an diesem Tag noch unerträglicher geworden war. Das Gewitter, das Lea erwartet hatte, war am Vortag ausgeblieben, schrieb aber heute schon gegen Mittag seine ersten Anzeichen an den westlichen Himmel.
    Der Pfad, dem Lea und Jochanan gefolgt waren, traf um die Zeit, in der sich der Horizont verdunkelte, auf eine von Norden nach Süden führende Straße, doch zu ihrem Pech gab es keinen Meilenstein in der Nähe der Einmündung, der ihnen die Richtung nach Vesoul angegeben hätte. So entschied Lea sich, nach Norden zu gehen, denn in der Ferne glaubte sie Dächer zu erkennen, und sie hoffte, in einer Herberge Unterschlupf finden zu können, ehe das Unwetter losbrach.
    Die Gebäude entpuppten sich als größeres Dorf mit einer Reihe schiefergedeckter Bauernhöfe und einer kleinen Kirche mit einem wuchtigen, viereckigen Turm, dessen Spitze von einem kupferbeschlagenen Pultdach gebildet wurde. Die große Herberge am Dorfrand umgab ein mehr als mannshoher Palisadenzaun, in den ein festes, eisenbeschlagenes Tor eingelassen war und der auf Lea wie eine kleine Festung wirkte. Sie hatte das Tor noch nicht erreicht, als ein erstaunter Ruf an ihr Ohr drang. »Grüß dich, Samuel! Das ist aber eine Freude, dich hier zu treffen.«
    »Ich hoffe, sie ist auch meinerseits.« Lea fletschte die Zähne und musste an sich halten, um Roland Fischkopf nicht gleich zur Begrüßung an die Kehle zu gehen, doch er schien ihre Abneigung gegen ihn nicht wahrzunehmen. Er hockte auf dem Balken einer stabilen Umzäunung, die sich an den Palisadenzaun anschloss, winkte ihr lachend zu und verscheuchte gleich darauf den Wirtsknecht, der die beiden angeblichen Kiepenhändler abweisen wollte.
    Nachdem der Knecht sich mit einem Doppelpfennig in der Hand zurückgezogen hatte, musterte Orlando Leas Aufzug und schüttelte den Kopf. »Wie siehst du denn aus, Samuel? Gehen deine Geschäfte so schlecht, dass du Tandhandel betreiben musst?«
    »Wenn ein guter Teil meines Kapitals samt den Gewinnen weiterhin auf Konten liegt, auf die ich keinen Zugriff habe, wird es bald dazu kommen.«
    Orlando tat erstaunt. »Mein lieber beschnittener Freund, warum hast du mir nicht geschrieben, dass du dringend Geld brauchst? Ich hätte es dir durch einen vertrauenswürdigen Boten geschickt. Hunger leiden sollst du meinetwillen nicht.«
    »Noch ist es nicht so weit.« Lea wandte sich ab, um diesem Menschen ihre Verärgerung nicht zu zeigen. Er nahm sie einfach nicht ernst und schien jetzt sogar an ihrem Handelsgeschick zu zweifeln. Wie hatte sie nur vergessen können, wie penetrant und boshaft er war? Wütend über sich selbst und ihre Dummheit, eine weite Reise gemacht zu haben, um diesen impertinenten Menschen zu treffen, überlegte sie, ob sie nicht auf der Stelle kehrtmachen sollte.
    Immer noch breit grinsend stieg Orlando von seinem Sitz herunter und legte ihr die Hand auf den Oberarm, als wollte er sie an sich ziehen. »Wieso bist du hierher gekommen? Ich dachte, wir wollten uns in Vesoul treffen?«
    Lea musste an sich halten, um nicht vor der Berührung zurückzuweichen. »Ich bin auf dem Weg dorthin.«
    Orlando deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war. »Nach Vesoul geht es aber dorthin.«
    »Das mag ja sein. Aber als ich auf die Straße traf, war kein Meilenstein zu finden, der mir den Weg gewiesen hätte. Darum bin ich hierher gekommen, um mich zu erkundigen.«
    Er hob die Hand und klatschte ihr anerkennend auf die Schulter. »Und hast sehr gut daran getan, mein lieber Samuel. Du wirst nämlich bald das Glück haben, den Herzog von Burgund mit eigenen Augen zu sehen. Vor wenigen Minuten sind seine Vorreiter erschienen und haben sein Kommen angekündigt. Wie du siehst, bereitet man sich bereits auf seinen Empfang vor.« Orlando wies in den Hof der Herberge, wo mehr als zwei Dutzend Knechte und Bauernburschen hektisch arbeiteten, um die Durchgänge zu den Ställen und Schuppen bis auf zwei zu verbarrikadieren. Die Mägde schlossen die Fensterläden, als stände das Gewitter, dessen erste Vorboten in der Ferne aufzogen, bereits unmittelbar bevor.
    Lea sah sich verdattert um. »Das sieht so aus, als würde man einen Angriff erwarten und nicht einen Gast.«
    Ehe Orlando ihr antworten konnte, kamen weitere Männer mit Dreschflegeln

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