Die Goldhaendlerin
glücklicherweise jedoch nicht nach. Lea hätte ihm auch kaum erklären können, aus welchem Grund sie ausgerechnet nach Vesoul reiste. Sie war ja selbst nicht mit sich im Reinen, ob sie das Richtige tat, denn dort wollte sie sich ausgerechnet mit Roland Fischkopf treffen.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie sich geschworen, jede weitere Begegnung mit diesem Menschen zu vermeiden, und jetzt reiste sie ihm sogar entgegen. Sie erinnerte sich noch gut an ihre Verblüffung, aber auch ihre Erbitterung, als sie vor gut einem Jahr einen Brief von ihm erhalten hatte, in dem er ihr von dem glücklichen Abschluss des Geschäfts berichtete, in welches er ihr Gold gesteckt hatte. Damals hatte er mitgeteilt, dass er ihren Gewinn in Höhe von eintausend Gulden für sie bei einem Bankier deponiert und die zwölfhundert, die er für das Gold erzielt hatte, in einer neuen Beteiligung angelegt hatte, über die er sich jedoch nicht auslassen wollte. Ein paar Monate später war sie angeblich noch einmal um tausend Gulden reicher geworden, aber auch davon hatte sie nichts als ein Stück Papier mit seinen Beteuerungen.
Lea wäre froh gewesen, wenigstens einen Teil der Summe in Händen halten zu können, die nun in Italien schlummerte, denn nach den Ausgaben für die markgräfliche Hochzeit waren ihre Kassen nicht mehr so gut gefüllt. Doch das Geld war für sie so fern, als läge es auf dem Mond. Roland Fischkopf hatte es nämlich auf seinen eigenen Namen bei einem Genueser Bankhaus angelegt, da dieses, wie er ihr mitgeteilt hatte, kein Geld von Juden annahm.
Sie war nicht so arm, dass sie am Bettelstab hätte gehen müssen, denn ihr Vermögen übertraf immer noch das der meisten jüdischen Kaufleute. Aber es war mehr denn je ihr Ziel, Hartenburg zu verlassen und sich an einem Ort im Reich anzusiedeln, wo sie nicht auf Gedeih und Verderb einem launischen, habgierigen Landesherrn ausgeliefert war, und um das zu erreichen, benötigte sie Gold und nochmals Gold. Die Kosten für die Hochzeit des Hartenburgers waren so hoch gewesen, dass sie kurzfristig Geld bei Geschäftsfreunden hatte aufnehmen müssen, um ihre laufenden Geschäfte nicht zu beeinträchtigen. Um wenigstens einen Teil der Summe wiederzubekommen, war ihr keine andere Wahl geblieben, als die Hartenburger Steuerpacht zu übernehmen. Nun hatte sie noch stärker mit der Geldgier des Markgrafen zu kämpfen und musste gleichzeitig darauf achten, dass sie seine Untertanen nicht allzu sehr gegen sich aufbrachte. Zu ihrem Glück war Samuel Goldstaub für die meisten Hartenburger ein Steuereintreiber wie die anderen vor ihm, ein Mann, den man heimlich beschimpfte und verachtete, dessen Existenz man aber hinnahm wie Geburt oder Tod. Die Leute grüßten sie nicht mehr ganz so freundlich, wenn sie durch Hartenburg ging, aber noch fluchte man ihr nicht ins Gesicht und warf ihr auch keine Steine nach.
Die meisten zahlten ihre Steuern unter viel Gejammer, aber ohne großen Widerstand, und bei denjenigen, bei denen die Soldaten, die der Markgraf ihr für ein gewisses Salär zur Verfügung gestellt hatte, hatten nachhelfen müssen, war der frühere Steuerpächter auch schon auf tatkräftige Hilfe angewiesen gewesen. Was Lea am meisten störte, war die Tatsache, dass sie etliche Wochen durch Hartenburg hatte ziehen müssen, bis sie den letzten Kreuzer eingetrieben hatte, denn das war ihren übrigen Geschäften nicht sonderlich zuträglich gewesen. Sie hoffte inständig, dass sie trotz aller Schwierigkeiten in den nächsten zwei, drei Jahren über genügend Kapital verfügen würde, um ihrer Heimat den Rücken kehren zu können, und sie setzte deswegen auch große Erwartungen in diese Reise. Wenn sie Erfolg hatte, würde sie ihrem Ziel einen großen Schritt näher kommen.
Später, als Gideon und Jochanan bereits in den Verschlag gekrochen waren, der ihnen allen als Schlafstatt zugewiesen worden war, holte Lea zwei Briefe aus ihrer Kiepe und las sie im Schein einer Stalllaterne noch einmal durch. In dem einen schwor Roland Fischkopf Stein und Bein, dass sie jederzeit über ihn an ihr Geld kommen könne. Das glaubte sie ihm jedoch ebenso wenig, wie sie einem Kirchenmann getraut hätte, der einen Juden seinen geliebten Bruder nannte.
Wichtiger als dieses Schreiben war ihr jedoch die Antwort auf eine Anfrage, die sie über Simeon ben Asser an den Handelsagenten gerichtet hatte. Da weder sie noch einer ihrer jüdischen Geschäftspartner in der Lage waren, Alban von Rittlage zum Bezahlen seiner
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