Die Goldhaendlerin
Protest. Mit einem triumphierenden Ausruf brachte er ein kleines, aber schweres Säckchen zum Vorschein und öffnete es. Doch er fühlte nur Mehl.
Verärgert zog er seine Hand zurück und starrte seine weiß gefärbten Finger an. Als Lea spöttisch auflachte, hatte er sich jedoch sofort wieder in der Gewalt. »Verdammt, wir haben keine Zeit für solche Späße.«
Er wollte erneut in das Säckchen greifen, doch Lea nahm es ihm weg. »Das ist Flussgold, das ich bei einem Goldschmied eintauschen will. Ich habe es nur in den Mehlsack gesteckt, um es vor Leuten wie dir zu verbergen. Das Münzgold ist da drin.« Sie zog ein verschrammtes Kästchen unter dem Tand hervor, öffnete es und schüttete den Inhalt vor Orlando auf den Boden. Orlando verbiss sich ein unanständiges Schimpfwort und las rasch das Geld auf. Jochanan, der ihn eben noch einen Dieb genannt hatte, half ihm, während Lea mit verschränkten Armen neben ihnen stand und innerlich gegen sich selbst wütete. Sie hätte wissen müssen, dass eine Begegnung mit diesem Fischkopf sie noch ärmer machen würde, statt ihr aus ihren Problemen herauszuhelfen. Dennoch sah sie regungslos zu, wie Orlando ihre wie neu glänzenden Zwölfguldenstücke in die Hand des beim ersten Klang des Goldes herbeigeeilten Wirts zählte. Auch die Tatsache, dass der Handelsagent den noch fehlenden Rest aus seinem eigenen Beutel dazulegte, konnte ihre innere Selbstzerfleischung kaum mildern.
»Bist du jetzt zufrieden?«, fragte Orlando den Wirt. Als dieser nickte, packte er den Mann und stieß ihn trotz seiner beträchtlichen Körperfülle auf den Balkon. »Sag deinen Leuten, dass sie sofort das Tor und die Verhaue öffnen und den Herzog und seine Männern in Haus lassen sollen, ehe uns die Wetterwand erreicht.«
Orlando hatte das letzte Wort noch nicht gesprochen, da spaltete ein greller, vielfach verästelter Blitz den dunklen Himmel. Kaum einen Herzschlag später erschütterte ein gewaltiges Donnergrollen die Herberge und ließ die Pferde der Reisenden vor Angst aufwiehern. Der Wirt warf nur einen kurzen Blick zum Himmel, dessen Schleusen sich jeden Augenblick öffnen konnten, und brüllte seine Knechte an, das Tor zu öffnen und die Verhaue zu beseitigen. Jetzt zeigte es sich, dass er die Bauern nicht umsonst zusammengerufen hatte. Jeder griff zu, um die Pferde des herzoglichen Reisezugs in die Ställe und offenen Unterstände zu bringen. Auch der große Reisewagen wurde in eine Remise geschoben, damit seine goldenen Verzierungen und farbenprächtigen Wappenbilder nicht unter dem Wetter leiden mussten.
Der Herzog versuchte, seine Würde zu wahren, und schritt steifen Schritts auf die Herberge zu, obwohl schon die ersten, beinahe faustgroßen Tropfen auf der Erde zerplatzten. Trotz der Hitze, die den Tag über geherrscht hatte, trug er ein golddurchwirktes Seidenwams und rote Handschuhe mit goldenen Säumen. Seine Hosen waren ebenfalls rot und saßen eng an seinen Schenkeln, während die Schamgegend durch goldene Stickereien besonders betont worden und stark ausgestopft war.
»Maximilian sieht aus, als hätte er das Gemächt eines Hengstes«, spottete Lea, die neben Orlando getreten war. Er kicherte fast wie eine Frau. »Packt dich der Neid?«
Lea schüttelte heftig den Kopf. »Bei Gott, nein, welches Weib könnte ein solches Glied in sich aufnehmen?«
Orlando amüsierte sich über das Entsetzen in ihrer Stimme, lächelte ihr aber begütigend zu. »Unter Herrn Maximilians Hosenlatz steckt mehr Wolle als Fleisch. Ich glaube kaum, dass er sich an dieser Stelle mit mir messen kann.«
Lea warf ihm einen schiefen Blick zu und zog die Mundwinkel herab. »So? Muss ich Euch ab jetzt Roland, den Hengst, nennen? Dann muss man wohl die Stuten vor Euch beschützen, denn mit Frauen werdet Ihr es wohl kaum treiben können.«
Leas Spott kränkte Orlando in einer Weise, die er selbst nicht verstand, und reizte ihn gleichzeitig. Ihr angenehmes, von der Sonne leicht gebräuntes Gesicht war so dicht vor ihm, dass er sie ohne Mühe hätte küssen können, und er stellte sich unwillkürlich vor, wie sie unter ihrem alles verhüllenden Mantel aussehen mochte. Sie musste jetzt etwas über zwanzig Jahre alt sein und die weichen Formen einer erwachsenen Frau besitzen, auch wenn sie diese meisterlich zu verbergen wusste. Irritiert schüttelte er den Kopf, denn bislang hatte er sich nur für Frauen interessiert, die mindestens einen Kopf kleiner als er und schwarzhaarig waren. Lea aber konnte ihm auf
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