Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Gestalt eines Mönches entdeckte, der in einer schmuddeligen, schwarzen Kutte steckte.
    Es war kein anderer als Medardus Holzinger, der sie und Jochanan hatte verbrennen lassen wollen. Im ersten Impuls wäre sie am liebsten aus der Taverne gestürzt und hätte sich so lange im Bauch der Rheinbarke versteckt, bis das Schiff wieder auf dem Strom schwamm, doch mit ihrer Flucht würde sie den Mann erst recht auf sich aufmerksam machen. Es war auch zu spät, um Roland Fischkopf zu warnen, denn er war schon ein Stück vorausgeeilt und wurde eben von dem dienernden Wirt empfangen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihrem Begleiter zu folgen und so zu tun, als betrachte sie die holzgetäfelten Wände der Taverne und die gelblichen Butzenscheiben in den Fenstern. Ihr Blick wanderte dabei immer wieder zu dem Judenjäger, und ihr fiel auf, dass er den Handelsagenten mit offenem Mund anstarrte. Roland Fischkopf hatte ihn immer noch nicht bemerkt, denn er stand neben einem freien Tisch und blickte Lea mit leicht verärgerter Miene entgegen.
    Sie straffte die Schultern und legte die letzten Schritte beherzt zurück. »Ah, da seid Ihr ja, mein Freund!«, sagte sie zu Fischkopf, als hätte sie ihn eben erst getroffen. Orlando zog verwundert die Augenbraue hoch, nahm aber wortlos Platz. Lea ging um den Tisch herum und setzte sich so, dass sie Holzinger im Auge behalten konnte.
    »Vorsicht! Da drüben hockt der Satansmönch, der mich damals verbrennen wollte.«
    Orlando schob die Unterlippe vor. »Ach ja? Hab keine Sorge. Der erkennt dich bestimmt nicht wieder, und solange du nicht mit jiddischen oder hebräischen Worten um dich wirfst, hast du nichts zu befürchten.«
    Ihn schien die Anwesenheit des Mönches nicht zu stören, Lea aber machte der Mann mit dem ausgezehrten Gesicht und den fanatisch funkelnden Augen Angst. Seufzend entsagte sie dem Gedanken an eine appetitliche Rheinbarbe und trug dem Wirt auf, ihr einen Stück Braten und einen Krug Wein zu bringen. Einen Augenblick wiegte sie sich in der Hoffnung, das nicht gerade kleine Stück Fleisch, das der Wirt ihr daraufhin servierte, könne von einem Rind oder einer Ziege stammen. Doch als ihr der Geruch in die Nase stieg, musste sie ihren Magen daran hindern, zu ihrer Kehle hochzusteigen, und sie hoffte verzweifelt, dass sie es fertig bringen würde, jeden Bissen mit einer Miene größten Genusses in den Mund zu stecken und ohne Würgen herunterzuschlucken. Sie sah ihren Begleiter wissend lächeln und schrieb die Qual, die nun vor ihr lag, auf seine Rechnung. Der Mann hatte ihr zwar das Leben gerettet, hielt sich dafür jedoch oft genug schadlos.
    Während sie aß, spähte sie immer wieder aus den Augenwinkeln zu dem Mönch hinüber und stellte jedes Mal fest, dass Holzinger hinter seinen Händen, die er wie zum Gebet gefaltet vor sein Gesicht hielt, ihren Begleiter musterte. Hie und da bewegten sich seine Lippen, als bete er, doch das bösartige Lächeln um seinen Mund wirkte alles andere als fromm. Offensichtlich hatte er den Mann erkannt, der ihm eine bereits sicher geglaubte Beute entrissen hatte, und schien zu überlegen, wie er sich an ihm rächen konnte. Nach einer Weile wandte er sich einer Gruppe von Gästen zu, die an einem Tisch in seiner Nähe saßen, und sofort nahm sein Gesicht einen sanftmütigen Ausdruck an. Er nickte einem der Männer zu, sprach den Segen über das Essen der Gruppe und erhielt dafür einen Krug Wein als Dank, den er bedächtig und genussvoll leerte.
    Orlando bemerkte zwar, dass Lea die Augen kaum von dem Mönch lassen konnte, nahm aber nur zur Kenntnis, dass sie Haltung bewahrte und ihre Rolle als junger Christ glaubhaft ausfüllte. Als sie zahlten, sah er sich zum ersten Mal selbst nach dem Mönch um, doch der lauschte gerade interessiert den Bemerkungen eines Mannes, der eine Jakobsmuschel, das Zeichen eines Santiago-Pilgers, am Hut trug.
    Holzinger schien gar nicht zu bemerkten, dass der Mann, für den er sich eben noch so stark interessiert hatte, gerade die Taverne verließ. Doch als Lea und Orlando die Straße hinuntergingen, glitt er wie ein Schatten zum Fenster und starrte ihnen nach. Die gelblichen, bleigefassten Scheiben waren kaum handtellergroß und wenig geeignet, jemand zu beobachten. Trotzdem konnte der Mönch feststellen, dass der ihm verhasste Handelsagent und sein Begleiter in die Gasse einbogen, die zum Rhein hinabführte. Er machte eine Bewegung, als wollte er ihnen folgen, schüttelte dann aber den Kopf, kehrte an

Weitere Kostenlose Bücher