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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nicht über Frankreich nach Spanien reisen konnte, sondern den Weg übers Meer nehmen musste, sollte sie in Antwerpen ein Schiff besteigen. Der Abfahrtstermin stand fest, und es war nicht zu erwarten, dass der Kapitän auf einen unbedeutenden Nachzügler warten würde. Das erklärte Orlando Lea, als sie sich darüber beschwerte, wie rücksichtslos der Kutscher die Pferde trotz der schlechten Straße antrieb, denn das leichte Gefährt hüpfte oftmals hoch wie ein Ball, und Reisende, die beiseite springen mussten, schimpften lautstark hinter ihnen her. Trotz der Geschwindigkeit, mit der sie fuhren, erschien es Lea wie ein Wunder, dass sie schon am nächsten Tag die Fähre über den Rhein und wenig später Straßburg erreichten.
    Orlando ließ den Wagen bis zum Hafen fahren und in der Nähe einer ungewöhnlich hochbordigen Barke anhalten, die bis unter den Mastbaum mit Waren beladen war. Die Bauweise und die Art der Besegelung verrieten Lea ebenso wie die bunten Wimpel mit verschiedenen Kaufmannszeichen am Mast, dass es sich um ein Boot aus Holland handelte, das im Auftrag einer der großen Handelsgesellschaften unterwegs war. Orlando ließ Lea keine Zeit, sich weiter umzusehen, sondern sprang aus der Kutsche und hieß den Knecht, sein und Jacques’ Gepäck auf das Schiff zu bringen. Dann schnauzte er Lea an, ihm zu folgen. An Deck der Barke stellte er ihr Marinus van Duyl vor, den Kapitän der »Marijkje«, des schnellsten Frachtschiffs auf Rhein, Maas und Schelde.
    Lea hörte nur mit halbem Ohr hin, denn ein kurzer Blick hatte ihr verraten, dass sie auf diesem Kahn kaum genug Abgeschiedenheit finden würde, um sich zu waschen und ihre Notdurft zu verrichten. Während der Kutschfahrt hatte ihr Begleiter in der Hinsicht erstaunlich viel Rücksicht auf sie genommen, aber hier gab es für die Passagiere nur einen Schlafplatz unter dem offenen Vordeck, den man mit Segeltuch gegen Wind und Spritzwasser geschützt hatte. Jetzt erst wurde ihr klar, dass sie keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie sie sich hier – oder später auf einem von Menschen wimmelnden Seeschiff – sauber halten und ihr Geschlecht verbergen konnte.
    Während ihrer Überlegungen hatte die Barke mit ihrem brüllenden und auf seine Leute fluchenden Kapitän den Hafen verlassen und legte sich nun unter dem Druck des Windes so stark auf die Seite, dass Lea gegen ihren Begleiter stolperte. Orlando hielt sie fest, schob sie ein Stück auf das ebenfalls offene Achterdeck zu und wies auf einen Kasten an der Reling, der ein Stück über die Bordwand ragte.
    »Ich glaube, unser Kapitän wäre am liebsten der Eigner einer der großen Koggen, denn er hat einen Abtritt einbauen lassen, wie man ihn auf den Nordlandfahrern findet. Du brauchst also keine Angst zu haben, dass man deine Narben entdeckt und dich ihretwegen verspottet.«
    »Gibt es so ein Ding nur auf Nordlandfahrern?«, fragte Lea scheinbar harmlos.
    Orlando schüttelte den Kopf. »Nein, solche Örtchen gibt es auf allen größeren Schiffen, die für Passagiere eingerichtet sind.«
    »Na fein, da wird man wenigstens nicht mit den Stuhlproblemen überfressener, alter Männer konfrontiert.«
    Orlando kommentierte ihre Worte nicht, sondern verschwand bis zur Brust in dem Kasten und zeigte Lea damit ohne viele Erklärungen, wie sie diesen Ort benutzen konnte. In den nächsten Tagen hatte sie immer wieder Grund, ihrem ansonsten ruppigen und ungeduldigen Begleiter für seine persönliche Rücksichtnahme zu danken.
    Van Duyl ließ tatsächlich jedes andere Frachtschiff, das den Rhein abwärts fuhr, hinter sich. Auch hielt er sich nicht lange bei den zahllosen Zollstationen auf, sondern legte seine Mautgebühren in einen Lederbeutel, der an der Spitze einer Stange befestigt war, und reichte sie im Vorbeifahren den Wächtern der Rheingrafen, die ihn offensichtlich gut kannten und die Summe jedes Mal akzeptierten.
    Erst in Bingen unterbrach der Holländer seine Fahrt für einen Tag, um ein paar Ballen auszuladen und auf die Weinfässer zu warten, die er von hier aus mitnehmen sollte. Lea und Orlando nützten die Zeit, um sich die Beine zu vertreten und in einer Taverne ein gutes Mahl zu sich zu nehmen. Lea nahm an, dass Roland Fischkopf auf ihrer Begleitung bestand, um zu sehen, ob sie sich auch beim Essen wie ein Christ benahm. Sie schwor sich gerade, keinen Bissen Schweinefleisch anzurühren, ganz gleich, was er unternehmen würde, um sie dazu zu zwingen, als sie im Hintergrund der Taverne die hagere

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