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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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seinen Platz zurück und winkte den Sohn des Wirtes zu sich.
    »Du willst dir doch sicher Gottes Segen und den Ablass von zwanzig Jahren Fegefeuer erwerben, nicht wahr, mein Junge?
    Dazu musst du nur dem Mann, der gerade die Stube verlassen hat, folgen und in Erfahrung bringen, wohin er reist. Er ist unterwegs zum Hafen. Also lauf dorthin.«
    Der Junge verzog das Gesicht, denn ihm wäre eine Silbermünze lieber gewesen als ein Lohn, den er erst im anderen Leben im Empfang nehmen konnte. Er wagte es jedoch nicht, dem Mönch zu widersprechen. »Welchen meint ihr, den Gecken im blauen Wams? Oder den Jüngeren in Braun?«
    »Den Gecken! Der andere ist uninteressant. Beeile dich gefälligst, sonst findest du den Kerl nicht mehr!«
    Holzinger versetzte dem Jungen einen Stoß und sah ihm nach, bis sein Schatten draußen am Fenster vorbeihuschte. Dann lehnte er sich zufrieden zurück. Mit halb geschlossenen Augen, gefalteten Händen und sich bewegenden Lippen wirkte er wie im Gebet versunken. Aber seine Lippen formten die Worte aus reiner Gewohnheit, während sich seine Gedanken mit der unerwarteten Begegnung beschäftigten.
    Er brauchte das Flugblatt, das spanische Ordensbrüder an ihn und andere deutsche Gewährsleute verteilt hatten, nicht anzusehen, um zu wissen, dass er den darauf beschriebenen Mann gefunden hatte. Der Geck in den auffallenden Hosen war Orlando Terasa de Quereda y Cunjol, der sich auch Orlando Cabeza de Pez oder auf Deutsch Roland Fischkopf nannte und sich verdächtig oft in jüdischen Kreisen bewegte. Es würde ihm im Diesseits Ansehen und Ehre und im Jenseits gewiss noch eine besondere Belohnung einbringen, wenn er half, diesen gefährlichen Ketzer und Judenfreund seiner gerechten Bestrafung zuzuführen.
    Die Rückkehr des Wirtsjungen ließ Holzingers Anspannung ins Unerträgliche steigen. »Nun, hast du erfahren, wohin der Mann unterwegs ist?«
    Der Junge nickte eifrig und hielt unauffällig die Hand auf, in der Hoffnung, der Mönch möge sich doch noch als großzügig erweisen. »Er fährt geradewegs nach Antwerpen. Ein Schifferknecht von der Barke, auf der er reist, hat mir erzählt, der Mann hätte seinem Patron fünf Gulden extra geboten, wenn er die Stadt vor der Abfahrt der burgundischen Spaniengesandtschaft erreichen würde.«
    Holzinger empfand ein Gefühl wilden Triumphes, das seiner zur Schau getragenen Demut Hohn sprach, und musste sich dazu zwingen, seine sanfte Miene beizubehalten, während er das Kreuz über dem Jungen schlug. »Das hast du gut gemacht! Geh mit Gottes Segen.«
    Dann drehte er sich zu dem Vater des Kindes um. »He, Wirt, bring mir Papier, Tinte und Schreibfedern – und zwar schnell!«
    Dem Wirt gefiel der herrische Ton wenig, noch dazu, da er wusste, dass er gewiss kein Geld von dem Mönch sehen würde. Aber wenn er sich weigerte, würde Holzinger ihn für gottlos erklären, seine Taverne als Dämonenhort bezeichnen und ihn so in den Ruin treiben, wie er es schon mit anderen Wirten gemacht hatte. Aus diesem Grund kniff er die Lippen zusammen und brachte ihm das Gewünschte.
    Holzinger setzte einen Brief auf, in dem er Orlandos Ankunft in Antwerpen ankündigte, faltete ihn und schrieb die Adresse eines Klosters darauf. Dann versiegelte er ihn mehrfach mit dem Wachs einer Kerze, die der Wirt ihm anzünden musste, und drückte dem Mann das Schreiben in die Hand. »Sorge dafür, dass diese Nachricht auf dem schnellsten Weg nach Antwerpen gelangt.«
    »Ich werde sie einem Rheinschiffer mitgeben müssen«, antwortete der Wirt ärgerlich.
    »Tu das, und zwar sofort. Es eilt.«
    »Der Schiffer, der als Erster dort ankommen wird, ist Marinus van Duyl. Aber der wird einige Silbergroschen für den Transport verlangen.« Wenn der Wirt gehofft hatte, Holzinger würde ihm wenigstens dieses Geld geben, sah er sich getäuscht.
    »Die Groschen werden dir die Türen des Himmelreichs öffnen«, erklärte der Mönch und zeichnete auch die Stirn des Wirtes mit dem Kreuz.
    Als die »Marijkje« am nächsten Morgen ablegte, ahnten Orlando und Lea nicht, dass die Nachricht von ihrer Ankunft in den Niederlanden sie in der Mappe des Kapitäns begleitete.

3.
    Das gemeinsame Delta von Rhein, Maas und Schelde mit seinem Inselgewirr, den unzähligen Sandbänken und seinen schier unberechenbaren Gezeitenströmungen war alles andere als für eine Rheinbarke geeignet. Marinus van Duyl kannte sich jedoch gut darin aus und war vor allem nicht bereit, seinen Profit zu schmälern, indem er seine Fracht auf

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