Die Goldhaendlerin
gleich wieder nach Hause geschickt. Doch sie war der einzige Mensch, dem er zutraute, seinen Onkel Rodrigo samt seinen Angehörigen aus der Falle herauszuholen, in der sie den Köder für ihn spielen mussten. So holte er tief Luft und erklärte ihr die Situation in aller Ruhe.
»Es sind doch Leute deines Volkes, die deiner Hilfe bedürfen«, schloss er seinen Bericht.
Lea winkte verächtlich ab. »Es sind Konvertiten, die sich vom Glauben der Erzväter abgewandt haben.«
»Sie sind nicht freiwillig Christen geworden!«
Lea rümpfte die Nase. »Pah!«
Orlando packte sie an den Oberarmen, hob sie halb von ihrem Sitz und schüttelte sie. »Jetzt höre mir gut zu, mein beschnittener Freund! Ich kenne da jemand, der eine Riesenportion Schweinefleisch vertilgt und ein Ferkel geküsst hat, um nicht von einer grölenden Rotte ins Feuer geworfen zu werden. Also rede nicht schlecht von Menschen deines Glaubens, die nichts anderes wollten, als in Frieden leben und ihren Geschäften nachgehen.«
Lea fühlte, wie sie gegen ihren Willen rot wurde. Roland Fischkopf hatte ihr damals das Leben gerettet, und wenn sie sich nun weigerte, seine Bitte zu erfüllen, würde sie sich den Rest ihres Lebens wie ein Schwein vorkommen.
»Es fängt schon mit der Frage an, unter welchem Vorwand ich nach Bereja reisen soll. Soviel ich weiß, ist man sowohl in Frankreich als auch in Aragon und Kastilien sehr argwöhnisch, was fremde Reisende betrifft.«
Orlando lächelte bitter, denn einerseits war er froh, dass Lea angebissen hatte, andererseits aber vertiefte ihre Zustimmung seinen Zwiespalt.
»Es ist kein Vorwand nötig. Herzog Maximilian von Burgund rüstet eine Gesandtschaft aus, die in die Spanischen Königreiche reisen soll, denn er will seine Tochter Margarete mit dem Infanten Juan, dem Erben der Kronen Kastiliens und Aragons, vermählen und seinen Sohn Philipp mit dessen Schwester Juana. Maximilian wünscht, dass ein christlicher Bankier diese Gesandtschaft begleitet, um den Botschafter bei den finanziellen Transaktionen zu beraten, die die zu erwartenden Vereinbarungen mit sich bringen, und ist dabei auf mich verfallen. Ich kann mich jedoch nicht mehr jenseits der Pyrenäen sehen lassen, weder offiziell noch heimlich. Dir wird man als Mitglied der Delegation keinen zweiten Blick schenken. Dazu müssen wir aber einen Christen aus dir machen. Hast du den Geleitbrief des Herzogs mitgebracht?«
Lea klopfte gegen ihren Bauch, auf dem eine unter ihrem Kaftan verborgene Ledertasche hing. »Er ist hier.«
»Sehr gut. Zuerst müssen wir uns einen christlichen Namen für dich ausdenken. Ich hatte zunächst an einen deutschen Namen gedacht, doch ein französischer Name scheint mir unverfänglicher zu sein. Was kann man aus Samuel ben Jakob, genannt Goldstaub, machen? Den Goldstaub lassen wir weg. Ben Jakob?
Hmm …«
Orlando kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Warum nicht?
Wir nennen dich de Saint Jacques, das hat auch für Spanier einen guten Klang. Der Vorname Samuel passt allerdings nicht dazu. Nehmen wir doch den deiner Schwester. Sie heißt Lea, nicht wahr? Daraus machen wir einen Léon de Saint Jacques. Bei einem so heiligen Namen werden nicht einmal die Herren der heiligen Inquisition misstrauisch werden.«
Orlando grinste Lea dabei an, als erwarte er ein Lob. Lea ging das Ganze zu schnell. Doch bevor sie Einwände machen konnte, sprach er weiter.
»Wie steht es mit deinen Spanischkenntnissen?« Er warf ihr ein paar Sätze hin und fluchte, als Lea ihren Sinn nicht sofort begriff. »Hatte ich dir nicht gesagt, du solltest jeden Tag üben?«
»Ich habe geübt, sooft ich konnte«, fuhr Lea auf. »Aber ich habe nur Jochanan, mit dem ich spanisch reden kann, und er hat beinahe alles wieder vergessen.«
»Dann wirst du auf der Reise nach Antwerpen, wo du auf den Rest der Gesandtschaft triffst, viel üben müssen. Ich werde dich bis dorthin begleiten und dir alles beibringen, was du wissen musst, auch die Namen der Menschen, die dir weiterhelfen werden. Erwarte aber nicht zu viel von ihnen. Man wird dir Obdach gewähren, Ratschläge erteilen und dir mit Geld aushelfen, falls du welches brauchst. Der Auftrag wird sich übrigens für dich lohnen. Wenn du Baramosta und die Seinen in Sicherheit bringen kannst, erhältst du von ihnen mindestens fünftausend Gulden, vielleicht sogar mehr, je nachdem, wer sich noch bei der Gruppe befindet.«
»Baramosta? Ich hatte einen Geschäftspartner namens Rodrigo Varjentes de Baramosta. Reden wir
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