Die Goldhaendlerin
der letzten Strecke nach Antwerpen einem anderen Kapitän übergab. Seine »Marijkje« tanzte auf den unruhigen, von Wind und den Gezeiten aufgewirbelten Wasserläufen wie ein Korken und gab Lea einen Vorgeschmack dessen, was sie auf offener See erwarten mochte. In den Stunden, in denen sie von Brechreiz und Krämpfen geplagt auf ihrer Matte lag, wünschte sie, Jochanan wäre bei ihr, denn er hätte Verständnis für ihren Zustand gehabt. Zudem setzte ihre Monatsblutung ein. Auf früheren Reisen war das kein Problem gewesen, da sie überall trockenes Moos finden und leicht wieder entsorgen konnte, während ein Lederbeutel im Korb die blutigen Stoffstreifen aufnahm, aber sie wusste noch nicht, wie sie sich in der Enge des Schiffes unauffällig sauber halten konnte.
Orlando schien gegen die Seekrankheit immun zu sein, brachte Lea jedoch fürsorglich eine Schüssel, in die sie sich übergeben konnte, und kühlte ihre schweißnasse Stirn mit einem in scharfe Essenzen getauchten Lappen, dessen Geruch ihre bohrenden Kopfschmerzen linderte.
»Kopf hoch, Léon«, sagte er am Nachmittag eines düsteren und wolkenverhangenen Tages zu Lea. »Der Schiffer sagt, dass wir unser Ziel noch heute vor Sonnenuntergang erreichen werden.«
Die Nachricht brachte Lea dazu, ihren Weltschmerz für einige Augenblicke zu vergessen. »Dem Gott meiner Väter sei Dank!«, flüsterte sie mit grauen Lippen.
»Rufe die heilige Jungfrau, den heiligen Christophorus oder sonst einen der unzähligen Heiligen der Christenheit an, aber sage nichts, was dich in den Verdacht bringen könnte, ein heimlicher Jude zu sein. Die Spitzel der Inquisition lauern auch in den Küstenhäfen, von denen Schiffe nach Spanien abgehen«, wies Orlando sie zurecht.
»Bei der heiligen Jungfrau von Guadeloupe, ich wollte, wir hätten Antwerpen schon erreicht. Reicht dir das?« Leas Stimme klang ärgerlich und erstaunlich kräftig für ihren elenden Zustand. Trotz seiner Hilfsbereitschaft war ihre Meinung von Roland Fischkopf auf einen Tiefpunkt gesunken, und sie hasste ihn sogar dafür, dass er von ihr verlangt hatte, ihn zu duzen. Für sie war das ein Verlust an Distanz zu einem Mann, der in ihren Augen aus schnöder Geldgier handelte und sie nun zum Kumpanen seiner krummen Geschäfte machte. Während er ihr die Geografie, die Sitten und die wichtigsten Worte aus anderen Dialekten der Iberischen Halbinsel beigebracht hatte, war in ihr immer wieder die Frage aufgetaucht, wie viele Juden und Konvertiten er gegen Gold und edle Steine aus Kastilien und Aragon hinausgeschmuggelt und was er mit den Leuten gemacht hatte. Manchmal fürchtete sie sogar, sie könne es mit einem Menschenhändler zu tun haben, und sie war bereit anzunehmen, dass er auch Sklaven verkaufte.
Orlando ignorierte Leas bohrenden Blick und ihre schlechte Laune. »Ja, die heilige Jungfrau von Guadeloupe ist eine starke Nothelferin«, sagte er laut. »Du solltest ihr eine Kerze opfern, wenn wir heil ankommen.«
Er strich ihr über das schweißnasse Haar und deutete nach oben. »Ich gehe wieder an Deck und schaue, ob ich erkennen kann, wo wir jetzt sind. Wenn wir in den Hafen von Antwerpen einlaufen, hole ich dich.«
»Sag mal, bin ich für dich nur ein Gepäckstück, das du hier verstaut hast und nach Belieben wieder mitnehmen kannst?«
Orlando grinste wie ein übermütiger Junge. »Für was ich dich halte, will ich lieber nicht sagen. Aber sei versichert, ich habe eine hohe Meinung von dir.« Damit zog er den Segeltuchvorhang hinter sich zu und zurrte ihn fest, so dass niemand in das kleine Abteil hineinschauen konnte. Schnell kämpfte Lea sich auf die Beine, nahm den Trinkwasserschlauch und ein Tuch aus ihrem Gepäck und versorgte sich, so gut es ging. Dann wickelte sie ihr Brustband neu, das sich gelockert hatte, und streifte ihr von der Reise schon arg schmutziges Hemd mit spitzen Fingern über. Um wie viel leichter war es doch gewesen, sich unterwegs im Schutz eines Gebüschs an einem Bachlauf zu waschen, während Jochanan aufpasste, dass sie nicht überrascht wurde. Währenddessen war Orlando aufs Hinterdeck gestiegen und zu van Duyl getreten, der ihn zu sich gewinkt hatte.
»Seht Ihr, Mijnheer Fischkopf? Da schält sich Antwerpen aus dem Dunst, und es gibt eine gute Nachricht für Euch. Von einem Fischer habe ich gerade erfahren, dass sich die Gesandtschaft des Herzogs noch in der Stadt befindet. Daher werdet Ihr Euch von Euren fünf Gulden trennen müssen.«
»Nichts, was ich lieber täte.«
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