Die Goldhaendlerin
geschaffen, die in der Lage war, weite Strecken zu segeln und große Lasten zu tragen.
Die »Zwaluw« war auch für diese Fahrt mit Handelsgütern beladen worden, wenn auch nicht mit so vielen, wie Kapitän Jan Ruyters normalerweise mitgenommen hätte. Die Mitglieder der burgundischen Gesandtschaft brauchten viel Platz, und so hatte Ruyters das Zwischendeck durch dünne Wände unterteilen lassen und auf diese Weise Kabinen für seine Passagiere geschaffen. Der Bauch des Schiffes war jedoch den Handelsgütern vorbehalten. Der Kapitän hoffte auf ein zweifaches Geschäft, auch wenn er nicht sicher war, wann er die Passage für seine Gesandtschaft erhalten würde, denn der Herzog war als säumiger Zahler bekannt. Ruyters war jedoch nicht unzufrieden, denn sein Anteil an der »Zwaluw« betrug nur ein Achtel, und die Eigner der anderen Teile würden ihre Ausgaben durch herzogliche Privilegien doppelt und dreifach hereinbringen und ihn dabei nicht vergessen.
Dem jungen Burschen, der von einem schwer beladenen Knecht begleitet wurde, schenkte er zunächst keine Beachtung. Erst als dieser auf das Deck der »Zwaluw« kletterte und sich forschend umsah, bequemte er sich, seinen Platz vor dem Steuerhaus zu verlassen.
»Wenn Ihr dieser Bankenmensch Fischkopf seid, dann habt Ihr Euch aber reichlich Zeit gelassen.« Es klang bärbeißig, denn wäre die »Zwaluw« nicht durch einen Sturm im Hafen festgehalten worden, so hätte Ruyters wegen dieses Mannes warten müssen und dabei Zeit und Geld verloren.
»Léon de Saint Jacques zu Diensten«, stellte Lea sich mit einer angedeuteten Verbeugung vor. »Auf Herrn Fischkopf wartet Ihr vergebens. Ich bin an seiner Stelle hier.«
»Das müsst Ihr mit den Herren des Herzogs ausmachen. Ich verlasse den Hafen, sobald die Flut abläuft.« Ruyters schnaubte verärgert über diese neue Verwicklung und übergab seinen Passagier der Obhut seines Zahlmeisters, der eilig herangewieselt kam.
Lea ließ sich von dem Mann in die Tiefen des Schiffes führen. Da sie als Letzte der Gesandtschaft an Bord gekommen war, musste sie sich mit dem Platz zufrieden geben, den die anderen übrig gelassen hatten. Lorrestas Diener folgte ihr mit dem Gepäck und lud es schließlich an dem Ort ab, den der Zahlmeister ihm anwies. Lea gab dem Diener eine Münze als Trinkgeld und verabschiedete ihn. Der Zahlmeister sah ihm sichtlich verwirrt nach.
»Nehmt Ihr Euren Diener nicht mit? Er könnte bei den Matrosen im Vorschiff schlafen.«
»Ich bin gewohnt, selbst für mich zu sorgen.« Lea nickte dem Mann freundlich zu und sah sich in dem engen Verschlag um, in dem sie die nächsten Tage und Wochen hausen musste. Er enthielt vier Kojen, je zwei zu zwei übereinander gebaut und nach vorne so weit geschlossen, dass die Schläfer auch bei rauem Seegang nicht hinausfallen konnten. Der Gang zwischen ihnen war zu schmal, um zwei Leute zugleich aufzunehmen, und das einfache Bettzeug deutete an, dass hier keine Herren von Stand, sondern die Diener der ranghöchsten Gesandtschaftsmitglieder schliefen. Wie es aussah, stand Roland Fischkopf als Vertreter des Bankhauses Eelsmeer und Deventer in keinem hohen Ansehen.
Lea störte es nicht. Sie war gewohnt, mit schlechten Schlafplätzen vorlieb zu nehmen, und da sie auf ihren Reisen öfter in überfüllten Kammern oder mit vielen anderen unter einem halb offenen Schutzdach hatte schlafen müssen, konnte sie auch damit gut umgehen. Wie Orlando ihr versichert hatte, gab es auf einem so großen Schiff Örtlichkeiten, in denen die Passagiere ihre körperliche Notdurft verrichten konnten, ohne sich den Blicken der Matrosen aussetzen zu müssen. Dort würde sie ihr Brustband richten und die Binden wechseln, die sie im Augenblick tragen musste.
Solange man sie nicht mit Gewalt auszog, würde sie ihr Geschlecht verbergen können, und gegen körperliche Gewalt konnte sie sich inzwischen zur Wehr setzen. Als der Zahlmeister, der ihr noch wortreich erklärt hatte, welche Bereiche des Schiffes die Passagiere betreten durften und welche nicht, endlich ging, steckte sie einen ihrer beiden Dolche zwischen die dünne Matratze und die Wand, so dass sie ihn im Liegen jederzeit erreichen konnte. Den anderen ließ sie sichtbar am Gürtel hängen.
Einen Teil ihres Gepäcks konnte sie in dem noch freien Kasten verstauen, der mit drei anderen auf der Gangseite hinter den Betten angebracht war. Die Seekiste aber musste draußen bei den anderen bleiben, war als oberste aber leicht zu öffnen. Nach einem
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