Die Goldhaendlerin
Fischkopf.«
»Herr Fischkopf?« Orlando krauste missbilligend die Nase.
»Auf dem Schiff waren wir per du, mein lieber Léon. Und was meinen Namen betrifft, so wollte ich dir schon seit einigen Tagen erklären, dass man mich hier ebenso wie in Spanien unter dem Namen Orlando Terasa kennt. Den wirst du dir merken müssen, denn meine Gewährsleute wissen nichts von dem Namen, den man mir in Hamburg verpasst hat.«
Plötzlich kniff er die Augen zusammen und trat auf Lea zu. »Du hast noch Rasierschaum am Ohr, Léon.« Er streckte die Hand aus, strich über ihr Ohrläppchen und hielt ihr ein Flöckchen Seifenschaum vor die Nase.
Innerlich atmete er erleichtert auf. Wie es aussah, fiel Lea die doppelte Verwandlung in einen Mann und einen Christen leichter, als er zu hoffen gewagt hatte. Er bewunderte die junge Jüdin, die jeder Wendung des Schicksals zu begegnen wusste und auf jedes Problem eine Antwort fand. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob sie die Gefahren meistern würde, die nun auf sie warteten. Eine für ihn wichtige Probe stand noch aus. Während Marita auf einen Wink ihres Vaters in die Küche eilte, um das Frühstück auftragen zu lassen, fädelte Orlando ein Gespräch in kastilischer Sprache über den Seehandel zwischen dem Mittelmeer und den Hansestädten und die darin engagierten Kaufmannsgesellschaften und Bankhäuser ein. Lea ging sofort darauf ein und saugte die Informationen wie ein Schwamm auf, so dass die Unterhaltung bald nur noch von ihr und Señor Lorresta bestritten wurde. Orlando selbst zog sich bis an die holzgetäfelte Wand zurück, lehnte sich dagegen und beobachtete die beiden. Lorresta war ein Mann, dem man so schnell nichts vormachen konnte, und wenn er nur den geringsten Zweifel an »Leons« Person erkennen ließ, würde er Lea nicht nach Spanien schicken.
Einen Mann darzustellen war für sie zur zweiten Natur geworden, aber Orlando zweifelte immer noch daran, ob sie es fertig brachte, ihre Herkunft zu verbergen. Sollte Lorresta jedoch nicht entdecken, dass sein junger Gesprächspartner Jude war, würden auch die Schergen der Inquisition keinen Verdacht schöpfen. Einerseits wünschte er sich geradezu, Lorresta würde etwas auffallen, denn es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen, sich auszumalen, was Lea in Spanien alles widerfahren konnte. Andererseits hoffte er natürlich, dass sie diese letzte Prüfung bestand, denn er hatte sonst niemanden, den er an ihrer Stelle schicken konnte – außer sich selbst. Verriet Lea sich, würde er das väterliche Verbot ignorieren und das Wagnis eingehen, auch wenn es wahrscheinlich seinen Tod bedeutete.
Je länger das Gespräch dauerte, umso offensichtlicher wurde es, dass ihr Gastgeber sogar bedauerte, dass Léon nicht zu jener Gruppe von Conversos und wieder zum Glauben der Vorväter zurückgekehrten Juden gehörte, deren Handelsbeziehungen sich langsam die Küsten von Flandern, Holland und dem Reich entlang spannten, denn einen solchen hätte er in das Netzwerk eingebunden, dessen Basis persönliche Freundschaften und gegenseitiges Vertrauen waren. So aber behandelte er seinen jungen Gast eben wie den christlichen Vertreter eines bekannten Bankhauses, lobte Leons Wissen über die Geschäftswelt und mehr noch seine Bereitschaft, so viel wie möglich dazulernen zu wollen.
Nach dem Frühstück, das aus Bier, Brot, Käse und Fisch bestand, ließ Lorresta seine Gäste allein, und Orlando wollte die Gelegenheit nutzen, Lea letzte Anweisungen und Ratschläge zu geben. Zunächst wanderte er unruhig im Zimmer hin und her und überlegte, was in der Kürze der Zeit am wichtigsten war.
»Dein Kastilisch ist mittlerweile so gut geworden, dass du dich in Spanien zurechtfinden wirst«, begann er, um das ihm unangenehme Schweigen zu durchbrechen.
Lea zuckte mit den Schultern. »Was man von meinem Französisch nicht behaupten kann. Hältst du es für richtig, mich unter einem französischen Namen auftreten zu lassen?«
»Ich versichere dir, es gibt viele Familien im Reich, deren Vorfahren aus Frankreich eingewandert sind und die ihr Französisch längst verlernt haben. Also wird sich niemand wundern, solange du bei der Geschichte bleibst, die wir besprochen haben. Jetzt aber möchte ich mit dir noch einmal die Leute durchgehen, die ich dir genannt habe. Hast du dir ihre Namen und ihr Aussehen gut eingeprägt? Und auch die Losungsworte, die dich als meinen Freund ausweisen?«
»Du hast mich an den Herzog von Medicaneli und an Alonso de
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