Die Goldhaendlerin
Quintanilla, den Berater des Königspaars, verwiesen. Ich frage mich allerdings, wie ich an Vertreter des kastilischen und des aragonischen Hochadels herankommen soll. Auch kann ich mir nur schwer vorstellen, dass jener Juan Perez als Abt von La Rabida mich unterstützen wird. Als früherer Schatzmeister der Königin Isabella von Kastilien müsste er doch auf Seiten der Inquisitoren stehen, oder nicht? Für mein Gefühl kann ich ihm ebenso wenig trauen wie diesem José Albañez aus dem Kloster San Juan de Bereja. Christliche Äbte, die verfolgten Juden helfen, kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
Orlando ignorierte ihren Einwurf. »Die wichtigsten Namen hast du dir also gemerkt. Jetzt nenne mir die Losungsworte, die du aber nur bei ihnen selbst aussprechen darfst, und die Namen und Kennworte der anderen Gewährsleute.«
Während er ihr Wissen abfragte, lief er wie ein gefangenes Tier durch den Raum und wirkte einige Male so abwesend, als wären seine Gedanken ganz woanders. Mit einem Mal aber ging ein Ruck durch seine Gestalt, und er wies auf die Tür. »Gut gemacht. Du hast dir tatsächlich alles gemerkt. Nun aber geh und hol deine Sachen. Es ist Zeit für dich aufzubrechen. Der Wind steht gut, und das Schiff der Botschafter wird mit der nächsten Flut auslaufen.«
»Kommst du nicht mit? Es muss mich doch jemand bei den Herren einführen.«
Orlando hob die Augenbrauen, die sich auf seinem ungewohnt bleichen Gesicht wie Kohlestriche abzeichneten. »Nein, denn dann würde man mich fragen, warum du an meiner Stelle mitfährst. Weise einfach die Schreiben vor, die ich dir mitgegeben habe. Sie werden dich ausreichend legitimieren.«
»Und was soll ich sagen, wenn man mich nach dir fragt?«
Orlando dachte kurz nach und lachte in komischer Verzweiflung. »Sag ihnen, ich wäre krank geworden, und deswegen hätten die Herren Eelsmeer und Deventer dich geschickt.«
»Dann wollen wir hoffen, dass alles so klappt, wie du es dir vorstellst.«
Der Spott in Leas Stimme verriet Orlando, dass Zweifel an ihr nagten. In seinen Augen schadete das ihrer Mission nicht, denn sie würde noch wachsamer und vorsichtiger sein, als sie es schon gewohnt war, und alles tun, um nicht aufzufallen. Während er sie zur Tür schob, gab er ihr noch ein paar völlig überflüssige Ratschläge mit auf den Weg und zeigte dann auf den Mann, der draußen auf dem Flur wartete.
»Wie ich sehe, hat Señor Lorrestas Hausdiener dein Gepäck schon nach unten gebracht. Er wird es für dich zur ›Zwaluw‹ tragen, denn es sähe seltsam aus, wenn du deine Sachen selbst schleppen müsstest.«
»Wünsche mir Glück!«, bat Lea ihn leise.
»Mehr als du dir vorstellen kannst. Möge Gott dir beistehen.«
Orlandos Stimme klang so belegt, als müsse er Tränen zurückhalten.
Lea konnte nichts mehr sagen, denn gerade kehrte Lorresta zurück und verabschiedete sich wortreich von Herrn de Saint Jacques und wünschte ihm eine gute Reise. Lea antwortete ihm so artig, wie sie es mit halbzugeschnürter Kehle vermochte, und winkte Orlando noch einmal kurz zu.
Als sie die Straße betrat, öffnete er das Fenster, um ihr nachzusehen. Neben dem kräftigen Knecht wirkte sie so klein und schutzlos, dass Orlando sich am Fensterrahmen festhielt, um ihr nicht auf der Stelle nachzulaufen und sie zurückzuhalten.
5.
Etwa zur selben Zeit, in der sich Lea auf den Weg zu dem Schiff machte, das Herzog Maximilian für seine Gesandtschaft angemietet hatte, klopfte der Eigner der »Marijkje« an das Tor des Dominikanerklosters in der Sint Bavostraat nahe des Paardenmarkts. In der Hand hielt er den Brief, den er von einem Bingener Gastwirt erhalten hatte.
Die kleine Luke in Augenhöhe öffnete sich, und ein Pförtner blinzelte mit vom vielen Wachen und Beten rotgeränderten Augen hinaus. »Was wünschst du, mein Sohn?«
»Verzeiht, ehrwürdiger Vater, doch ich habe eine Botschaft für Euren spanischen Mitbruder Miguel Esquedra zu überbringen.« Marinus van Duyl hielt den Brief dabei so, dass der Pförtner die Anschrift lesen konnte. Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte der Mönch durch die Luke langen und den Brief an sich nehmen, doch dann bat er den Kapitän zu warten und schlurfte davon. Kurz darauf hörte van Duyl ihn mit einem Begleiter zurückkommen. Die kleine, im Tor eingelassene Pforte schwang auf, und man winkte ihm einzutreten. Van Duyl sah sich einem mageren Mönch mit dunklem, kurz geschorenem Bart und fanatisch glühenden Augen gegenüber, der ihn
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