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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gebiete aller drei Sprachkreise.
    Da Lea nicht zu den Bediensteten zählte, aber von den Edelleuten auch nicht als gleichberechtigtes Mitglied der Gesandtschaft angesehen wurde, wusste man zunächst nichts mit Léon de Saint Jacques anzufangen. Ihre Kajütengenossen und die anderen Diener begegneten ihr mit einer gewissen Scheu und bemühten sich, ihr nicht zu nahe zu treten, und der engere Kreis um Frans von Grovius sah über sie hinweg, als wäre sie Luft. Die restlichen Begleiter der Gesandten, die als Schreiber und Archivare fungieren sollten, waren zumeist Angehörige des Kleinadels, die weniger Vorurteile pflegten und den Bankmenschen allmählich akzeptierten.
    Zu ihrem Entsetzen bemerkte Lea bald, dass man sie wegen des Namens, den Roland Fischkopf ihr aufgezwungen hatte, für einen Mann von niederem Adel hielt, aber zumindest wunderte sich niemand über ihr schlechtes Französisch. Es gab genügend andere an Bord, deren Namen auf eine Sprache hinwies, die sie kaum beherrschten, denn in einem Land wie Burgund zählte nur der Stand eines Mannes.
    Lea hatte sich nach kurzer Zeit so in ihre Rolle hineingesteigert, dass sie sich beleidigt fühlte, als ein paar der jungen Herren darüber spotteten, dass im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation jeder geadelt werden konnte, der Kaiser Friedrich III. ein paar tausend blanke Gulden auf die Hand zählte. Damit spielten sie in erster Linie auf die italienischen Geschlechter der Gonzaga und Visconti an, die erst kürzlich eine Erhöhung ihrer Titel und Würden vom Kaiser erhalten hatten, ließen aber durchblicken, dass sie den Adel derer de Saint Jacques ebenfalls als gekauft ansahen.
    Lea reagierte nicht auf diese Provokationen, denn sonst hätte sie sich fragen lassen müssen, wieso ein Bankiersbote ein Adelsprädikat trug und sich nicht einfach Léon Saint Jacques nannte. Jetzt ärgerte sie sich, weil sie sich von Orlando nicht hatte erklären lassen, warum er sie als Mann von Stand auftreten ließ, denn dann hätte sie sich etwas wohler gefühlt.
    Vier junge Männer in ihrem Alter schienen keine Abneigung gegen Bankiers zu haben, denn sie nahmen sie in ihren Kreis auf und speisten mit ihr zusammen, als wären sie seit jeher Kameraden gewesen. Der Ranghöchste von ihnen war Laurens van Haalen aus Gent, der van Grovius als Sekretär diente, und um ihn herum scharten sich die beiden Freunde Thibaut de Poleur und Hérault de la Massoulet aus der Grafschaft Hainault und der Schwabe Heimbert von Kandern. Jeder der drei hatte ein spezielles Aufgabengebiet, das ihnen an Bord der »Zwaluw« jedoch nur wenig Arbeit verschaffte. So saßen sie meist an Deck, blickten aufs Meer hinaus und unterhielten sich über Gott, die Welt und Spanien. Für Lea hatte die Bekanntschaft den Vorteil, dass sie ihr Französisch verbessern konnte und mehr über die Absichten des Burgunderherzogs erfuhr.
    Natürlich sollten Maximilians Pläne streng geheim gehalten werden, aber sowohl die Spitzen der Gesandtschaft wie auch ihr Gefolge hatten kaum etwas anderes zu tun, als darüber zu diskutieren, ob die ins Auge gefassten Verlobungen Wirklichkeit werden konnten. Darüber hinaus schien der Herzog sich Hoffnungen auf eine kräftige militärische Unterstützung durch Kastilien und Aragon zu machen und hatte seinem Botschafter aufgetragen, Soldaten und Ausrüstung nach Möglichkeit gleich mitzubringen. Lea zweifelte am Erfolg der Mission, zumindest, was diesen Teil betraf, denn sie hatte von Orlando erfahren, dass Königin Isabella und ihr Gemahl vor allem den Krieg gegen Granada und die endgültige Niederwerfung der Mauren im Sinn hatten, aber sie durfte sich ihre Skepsis nicht anmerken lassen.
    Da das müßige Geschwätz nicht dazu geeignet war, den unbeschäftigten jungen Herren die Langeweile zu vertreiben, stachelten sie sich gegenseitig zu immer neuen Mutproben an. Kapitän Ruyters musste sie mehr als einmal von den Masten herunterjagen lassen, auf denen sie in ihrem Übermut herumkletterten und die Matrosen behinderten. Den Vogel schoss jedoch Thibaut de Poleur ab. Für die Mitglieder der Delegation standen vier kleine, wie Schwalbennester am Heck klebende Verschläge für ihre Notdurft zur Verfügung, während die Schiffsbesatzung ungeniert an der windabgewandten Seite des Schiffes über die Reling urinierte. Für das große Geschäft kletterten die Matrosen auf ein unter dem Bugspriet gespanntes Netz und ließen dort die Hosen herunter. Nach vollbrachter Tat holten sie an einem Seil ein im

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