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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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möglich sein, in der Enge des Zwischendecks ihre wahre Identität zu verbergen.
    Oben steigerte sich das Gebrüll des Kapitäns zu einem schier ohrenbetäubenden Dröhnen. Das Schiff schaukelte stärker und legte sich auf die Seite, während das Klatschen der Wellen auf der Bordwand zeigte, dass es Fahrt aufnahm. Die Reise, die sie bis ins ferne Spanien führen sollte, hatte begonnen.

7.
    Im Gegensatz zu Marinus van Duyl, dessen ganzes Bestreben einer möglichst raschen Fahrt gegolten hatte, zählte Jan Ruyters zu den eher vorsichtigen Kapitänen. Er ließ nicht mehr Segel setzen, als es brauchte, um die »Zwaluw« in gemütlicher Fahrt die Schelde hinabzusteuern, und so machte das Schiff seinem Namen, der Schwalbe bedeutete, keine Ehre. Lea war froh um die gemächliche Reise, denn so konnte sie sich besser an die Tücken des Seegangs gewöhnen. Da die »Zwaluw« um einiges größer war als die »Marijkje«, bewegte sie sich gemächlicher und schüttelte ihre Passagiere auch nicht so durch. Trotzdem fühlten sich die meisten von Leas Mitreisenden schon kurz nach der Abfahrt hundeelend, allen voran die Herren um Frans van Grovius, die zu Anfang kräftig getafelt hatten. Die Edelleute stöhnten und jammerten zum Steinerweichen, während ihre ebenfalls grüngesichtigen Diener ihnen Schüsseln hinhalten mussten, in die sie sich erleichtern konnten.
    Die »Zwaluw« beherbergte mehr als hundert Menschen, die auf engstem Raum zusammengepfercht waren, und die Seekrankheit machte das Schiff für etliche Stunden zu einer ganz eigenen Art von Hölle. Die weniger angesehenen Mitglieder der Gesandtschaft und die Bediensteten wurden von den Matrosen unbarmherzig an Deck getrieben, wo sie an der Reling stehend unter dem Gelächter der Seemannschaft die Fische fütterten. Zwei von Leas Kabinengenossen gehörten zu den Opfern, während der Dritte zwar verschont blieb, sich aber ständig um seinen leidenden Herrn kümmern musste. So hatte Lea zu ihrer Erleichterung die Kabine den Rest des Tages für sich allein. Als es dunkelte, ließ Ruyters den Anker werfen, um sein Schiff nicht durch eine nächtliche Fahrt durch die von Untiefen durchzogene Westerschelde zu gefährden. Das sanfte Wiegen der »Zwaluw« schläferte Lea bald ein, und sie erwachte am Morgen mit dem sicheren Gefühl, auf dieser Fahrt von der Seekrankheit verschont zu bleiben.
    Im Gegensatz zu den anderen Passagieren ließ sie sich das Frühstück schmecken und ging dann an Deck. Der Himmel war noch immer düster, doch der Wind hatte abgeflaut und wehte nun mehr von Norden, so dass die »Zwaluw« auf ihrem westlichen Kurs nicht mehr dagegen ankreuzen musste. Lea sah zu, wie das Bugspriet des Schiffes in der Dünung kreisende Bewegungen vollführte, und schmeckte das Salz in der Luft. Es konnte nicht mehr weit sein bis zum offenen Meer. Bevor sie es jedoch erreichten, legte Ruyters noch einmal in Vlissingen an, um einen Lotsen an Bord zu holen. Erst am nächsten Tag wagte sich die »Zwaluw« auf die offene Nordsee hinaus. Jetzt sah Lea zum ersten Mal Wasser, das ohne Grenzen bis zum Horizont reichte, und bekam nun doch Angst vor der grauen, wogenden Masse um sich herum.
    Zu ihrer anfänglichen Erleichterung dachte Ruyters nicht daran, den Bug einfach in die See hinauszurichten und bis Spanien zu fahren. Er segelte in Sichtweite der Küste nach Südwesten, steuerte für die erste Übernachtung Brügge an und ließ dort frische Lebensmittel und Wasser an Bord bringen. Die zweite Nacht verbrachte die »Zwaluw« im Hafen Gravelingen. Als der Kapitän sich dann gezwungen sah, den Machtbereich des Burgunderherzogs zu verlassen, steuerte er auf England zu, um der französischen Küste nicht zu nahe zu kommen.
    In diesen Tagen lernte Lea die übrigen Mitglieder der burgundischen Gesandtschaft kennen. Es waren allesamt Herren von Stand, Ritter, Barone und Grafen in Gewändern aus Samt und Seide, die vor goldenen Stickereien und aufgenähten Edelsteinen nur so strotzten. Die Barette und Hüte der Herren waren mit unzähligen Reiherfedern geschmückt, und die Finger ihrer behandschuhten Hände verschwanden fast unter protzigen Ringen. Lea kam sich vor wie ein Rebhuhn, das unter eine Schar von Pfauen geraten war. Die Herren benahmen sich auch wie diese Vögel, denn sie prunkten ständig mit ihren Namen und den Stammbäumen ihrer Familien. Frans van Grovius, ihr Anführer, war Flame, doch die meisten von ihnen sprachen Französisch oder Deutsch, denn das Herzogtum Burgund umfasste

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