Die Goldhaendlerin
Franzosen berichtet. Nun umarmte er den Spanier und lobte wortreich die Fürsorge, die dieser ihm und seinen Begleitern hatte angedeihen lassen.
Lea glaubte zuerst, kein Spanisch mehr zu verstehen, denn so viele Lügen und Verdrehungen auf einmal hatte sie noch nie vernommen. Dann aber begriff sie, warum van Grovius auf Montoyas Heuchelei einging. Er hatte sich wohl entschlossen, all die Kränkungen und die heimlichen und offenen Beleidigungen zu vergessen, um seinem Herrn in Burgund berichten zu können, dass er in Spanien auf das Artigste empfangen worden sei. Schließlich ging es ja nicht nur um seine persönliche Befindlichkeit, sondern um die erhoffte Verlobung der Kinder seines Landesherrn mit den Erben Spaniens. Würde van Grovius seiner verletzten Gefühle wegen die Verhandlungen gefährden, bestand die Gefahr, dass sein Herr ihm die Schuld am Scheitern der Gesandtschaft zuschrieb und ihn fallen ließ. Also musste der flämische Adlige alles tun, um sein Gesicht und damit auch seinen Einfluss auf den künftigen Kaiser zu wahren.
Während Lea die beiden Herren noch beobachtete, stiegen ihre Begleiter aus dem Wagen. De Poleur stupste sie schließlich von draußen an. »He, Léon, bist du eingeschlafen? Ich für meinen Teil bin froh, diesem rumpelnden Ungetüm endlich entkommen zu sein, und hoffe, wir können die Rückreise standesgemäßer antreten.«
Dabei zeigte er auf die spanischen Rosse, die sich in einem großen Pferch am Rande des Heerlagers tummelten. Lea sah ihm an, dass er darauf brannte, eines der rassigen Tiere zu erproben, und dachte mit Schrecken an ihre fehlenden Reitkünste. Montoya führte die Mitglieder der Delegation in ein großes, seidenes Zelt, das wohl extra für die erwarteten Gäste errichtet worden war, und ließ ihnen einen Imbiss reichen. Ganz anders als im Kloster bei Sanlúcar war der Herzog so gut gelaunt, dass er sich von van Grovius ausfragen ließ. Lea spitzte die Ohren, um nichts zu verpassen, langweilte sich aber zunächst bei den Berichten über den Kriegszug. Ihr Interesse wurde erst wieder geweckt, als Montoya seinen Gästen erklärte, dass die Königin, der König und ein Teil ihres Hofstaats ihr Quartier in dem malerischen Schlösschen aufgeschlagen hatten, welches man durch den offenen Zelteingang am gegenüberliegenden Hang bewundern konnte.
Es war einer der Landsitze, die Mohammed XII. an verschiedenen Stellen seines Reiches besessen hatte, ein in Leas Augen fremdartiges Bauwerk mit schlanken Säulen, weiß und schwarz eingefassten Rundbögen und Fenstern aus geschnitztem Rankenwerk, durch die man hinausblicken konnte, ohne von außen gesehen zu werden. Die über dem Gebäude wehenden Banner Kastiliens und Aragons verrieten, dass die Majestäten diese Eroberung ebenso wenig aus der Hand zu geben gedachten wie das Land, das ihre Truppen nun besetzt hielten.
»Wenn ihr die Güte hättet, jetzt das Mahl zu beenden«, bat Montoya seine Gäste nach einer Weile. »Ihre Majestät hat befohlen, am Nachmittag eine Feldmesse abzuhalten, um Gott für den bisherigen Erfolg des Krieges zu danken. Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr daran teilnehmen würdet.«
Alle nickten und standen sofort auf, denn diesem Befehl durfte sich keiner entziehen, wenn er nicht die Königin erzürnen wollte. Lea hatte nun schon so oft an christlichen Gottesdiensten teilgenommen, lateinische Worte nachgeplappert und Inbrunst geheuchelt, dass es ihr nur noch wenig ausmachte, einen Christen zu spielen. Bei dieser Messe aber musste sie mehr als sonst darauf achten, keinen Fehler zu begehen, denn neben den Augen ihrer Majestäten waren auch die der Inquisition auf die Neuankömmlinge gerichtet. So kniete sie im Staub des Feldlagers nieder und lächelte dabei über die Eitelkeit der hochrangigeren Teilnehmer, für die einige Diener bunte Seidentücher ausbreiteten, damit sie ihre Knie nicht beschmutzten.
Da Lea sich in ihrer schlichten Tracht von den anderen Edelleuten unterschied, wurde ihr ein Platz ganz hinten angewiesen, so dass sie das Königspaar und seinen Hofstaat nur aus der Ferne betrachten konnte. Ihre Majestäten saßen auf zwei nebeneinander und in gleicher Höhe aufgestellten Sesseln unter einem goldbestickten Baldachin und hatten die Großen ihres Reiches um sich versammelt. Die Messe hielt ein schlanker Priester mit entrücktem Gesicht und glühenden Augen, der in eine schlichte, weiße Kutte gehüllt war. Die Bischöfe, die auf mit goldenen Tüchern bedeckten Bänken hinter dem Prediger
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