Die Goldhaendlerin
hoffen, Master Hörne.« Orlando zwang sich zu einem gequälten Lachen. Zu anderen Zeiten hätte er das Gespräch mit dem Kapitän genossen und über dessen Scherze gelacht. Doch in seinem ganzen Sinnen und Fühlen war nur Platz für Lea. Er musste Gewissheit haben, was mit ihr geschehen war, und vor allen Dingen wollte er sie, wenn er sie gegen alle Wahrscheinlichkeit noch lebend und wohlbehalten antraf, so schnell wie möglich aus Spanien wegbringen.
Während Orlando dem Matrosen, der sein Gepäck aufgenommen hatte, unter Deck folgte, zog der am Fockmast lehnende Zahlmeister, der ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte, ein zerfleddertes Blatt Papier aus einer Innentasche seines Wamses, las den Text noch einmal aufmerksam durch und grinste breit. Mit den dreitausend goldenen Reales, die die Spanier für die Gefangennahme eines gewissen Orlando Terasa, auch genannt Roland Fischkopf, zahlen würden, konnte er sich ein eigenes Schiff kaufen oder sich an mehreren großen Handelsseglern beteiligen.
Sechster Teil
Für den Ruhm Kastiliens
1.
Lea zitterte bei jedem Schritt der Stute und saß so stocksteif im Sattel, als könnte er sich samt dem Pferd jeden Moment unter ihr auflösen. Fast drei Wochen hatte sie darauf gewartet, zu Medicaneli gerufen zu werden, doch als sein Reitknecht ihr am Morgen die Einladung zu einem Ausritt überbracht hatte, hatte sie erschrocken abgewehrt und ihm erklärt, dass sie nicht reiten könne. Der Mann hatte nur gelacht und gesagt, der Herzog erwarte den Señor. Danach hatte Lea sich den ganzen Vormittag Vorwürfe gemacht, denn eigentlich hätte sie wissen müssen, dass es so kommen würde, denn Medicaneli war schon mit einer Reihe burgundischer Edelleute ausgeritten, angefangen bei Frans van Grovius und seinem engeren Stab bis zu ihren Freunden de Poleur und de la Massoulet. Zu ihrer Erleichterung war der Reitknecht am Nachmittag mit einer lammfrommen Stute erschienen und hatte mit einer völlig regungslosen Miene gewartet, bis sie in den Sattel geklettert war.
Der Herzog war ein schlanker, hoch gewachsener Mann mit schmalem, hochmütigem Gesicht und blondem Haar, zu dem seine fast schwarzen, wachsamen Augen einen scharfen Kontrast bildeten. Eine Weile sah er über Leas mangelnde Reitkünste hinweg, aber als sie scharf Luft holte, weil die Stute den Kopf hochwarf und den Hang ein wenig schneller hinablief, begann er schallend zu lachen. »Keine Sorge, Saint Jacques, Cereza beißt nicht.«
Cereza, die Kirsche, war ein passender Name für die hübsche Rotfuchsstute. Zuerst hatte Lea ihn nicht richtig verstanden und sich gewundert, wieso man ein solches Pferd Bier nennen konnte. Dann hatte sie begriffen, dass sie unwillkürlich ein V in das Wort Cereza geschmuggelt und »cerveza« verstanden hatte. Dabei gab es im spanischen Heerlager kein Bier, sondern Wein, der in Kastilien und Aragon gekeltert wurde und zu den besten der Welt zählte. Dieser Wein war es auch, der in ganzen Schiffsladungen nach Flandern gebracht wurde und ihr zurzeit ein kleines Vermögen bescherte. Lea erinnerte sich noch gut daran, wie verblüfft sie gewesen war, als Orlando ihr anhand der Abrechnungen gezeigt hatte, wie viel sie an ihrem Weinmonopol verdiente.
Der Gedanke an ihren Reichtum verlieh ihr nun ein gewisses Selbstbewusstsein. Männer wie Medicaneli oder auch Montoya mochten durch ihre Kleidung und ihr Auftreten glänzen und große Ländereien besitzen. Lea war sich jedoch sicher, mehr Geld flüssig machen zu können als beide zusammen, und bald würde sie genug besitzen, um Hartenburg mit der ganzen Familie verlassen und sich woanders ansiedeln zu können, ohne dass sie jeden Heller aus dem Geschäft herausziehen musste. Ein wenig von der Erleichterung, die sie bei diesem Gedanken empfand, musste sich in ihrer Haltung widergespiegelt haben, denn Medicaneli nickte zufrieden. »So sieht es schon besser aus.«
»Gott sei Dank. Ich wusste nicht, dass es so schwierig ist, sich auf einem Pferd zu halten.«
Die Lippen des Herzogs bebten vor unterdrückter Heiterkeit.
»Mein lieber Saint Jacques, Ihr wärt der Erste, den Cereza abwirft. Sie ist, um es offen zu sagen, das Lamm unter meinen Pferden. Man kann auf ihren Rücken setzen, was man will, sie trägt es mit unendlicher Geduld.«
»Meint Ihr nicht eher, sie erträgt es?«, antwortete Lea mit dem Anflug eines Lächelns.
»Es freut mich, dass Ihr Euren Humor wiedergefunden habt, und hoffe, er verlässt Euch nicht sogleich wieder, denn wir
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