Die Goldhaendlerin
saßen, wirkten in ihren prunkvollen Roben wie Goldfasane, die sich um eine schlichte, weiße Taube versammelt hatten. Ein junger Spanier, der neben Lea kniete, raunte ihr zu, dass es sich bei dem Priester um Don Diego de Deza handele, den Beichtvater und Erzieher des Infanten Don Juan.
Orlando hatte Lea auf der gemeinsamen Rheinfahrt beigebracht, wie sie an katholischen Messen teilzunehmen hatte, und bisher hatte sie sich innerlich gegen die Götzendienerei abschotten können, auch wenn sie alles mitmachte. Doch hier waren die Inbrunst und Verzückung der Menschen so stark zu spüren, dass sie in jeder Faser ihres Körpers vibrierte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und davongelaufen, um den Gott ihrer Väter in einer stillen Ecke um Verzeihung für ihr Tun zu bitten. Aber die Kutten der Mönche, die überall in der Menge der Betenden verstreut waren, mahnten sie, sich zusammenzureißen und nicht aufzufallen. Sie stand mit den anderen auf und kniete mit ihnen nieder, bekreuzigte sich sorgfältig, wenn es erforderlich war, und heuchelte den erwarteten Glaubenseifer.
Dazu verhalfen ihr nicht nur Orlandos Lehren, sondern auch die Tatsache, dass ihr Bruder Samuel und sie sich als Kinder in die St. Kolomanskirche von Hartenburg geschlichen und die christlichen Gottesdienste beobachtet hatten. Erst Jahre später war ihr aufgegangen, in welcher Gefahr sie dabei geschwebt hatten, denn wären sie entdeckt worden, hätten die christlichen Priester dies als Hinwendung zu ihrem Glauben angesehen, sie ihrer Familie entrissen und in Klöster gesteckt, um aus Samuel einen Mönch und aus ihr eine Braut Christi zu machen.
Lea schüttelte die peinigende Erinnerung ab und konzentrierte sich darauf, so zu tun, als erhebe sie bei den Gesängen ihre Stimme. Die Feldmesse zog sich ungewöhnlich lange hin, und zuletzt wusste sie nicht mehr, wie oft sie ihr Knie gebeugt und sich bekreuzigt hatte. Als Diego de Deza mit dem letzten Amen dem versammelten Heer seinen Segen erteilte, war sie schweißgebadet und sehnte sich danach, sich irgendwo zu waschen und umzuziehen. Aber auch dabei würde sie sich noch mehr in Acht nehmen müssen als bisher, denn Leute, die sich zu sauber hielten, wurden von den Spaniern verdächtigt, heimliche Juden oder Ketzer zu sein. So würde sie sich wieder darauf beschränken, die Hände mit Wasser zu netzen und sich damit über den Mund zu fahren. Eines wusste sie: wenn sie nach Hause zurückkehrte, würde sie sich die Haut vom Leibe scheuern und wochenlang fasten, um all den innerlichen und äußerlichen Schmutz loszuwerden, dem sie auf dieser Reise ausgesetzt war. Für einen Moment wünschte sie sich, sie zöge wieder in einem einfachen Kaftan gekleidet über die Straßen des Reiches, wo sie sich heimlich, aber umso gründlicher in fließenden Quellen hatte waschen können.
Die Soldaten kehrten nun zu ihren Stellungen oder Quartieren zurück. Lea und ihre Begleiter glaubten sich ebenfalls entlassen, als Montoya seine behandschuhte Rechte auf Frans van Grovius’ Arm legte.
»Ihre Majestäten wünschen Euch und Eure Caballeros zu sehen.«
Van Grovius war sichtlich geschmeichelt, so rasch vom spanischen Königspaar empfangen zu werden, und begleitete Montoya nach vorne. Als Lea zögerte, sich den burgundischen Edelleuten anzuschließen, kamen de Poleur und Heimbert von Kandern auf sie zu und nahmen sie mit. Van Grovius und seine hochrangigsten Begleiter wurden bis vor das Königspaar geleitet, während Lea und die anderen gut zehn Schritte vor den Thronen durch einen Höfling aufgehalten wurden. Es war jedoch nahe genug, um die hohen Herrschaften betrachten zu können. Beide waren um die vierzig Jahre alt, doch während die in ein schlichtes rotes Gewand gekleidete kastilische Königin in anmutiger Hoheit die burgundischen Gäste begrüßte, saß ihr Gemahl Fernando von Aragon eingefallen und mit sauertöpfischem Gesicht neben ihr. Er hatte einen braunen, mit Zobel besetzten Mantel um seinen Leib geschlungen und sah aus, als sehnte er in dieser nicht einmal allzu winterlichen Landschaft die Hitze des Sommers herbei.
»Die Königin ist wunderschön, aber ihrem Gemahl scheint es das Korn verhagelt zu haben«, wisperte der ewige Spötter de Poleur Lea zu.
Laurens van Haalen musste ein Grinsen unterdrücken. »Das wundert mich nicht. Es weiß doch jeder, wer in dieser Ehe die Hosen anhat. Herr Ferdinand ist es gewiss nicht.«
Poleur schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber die Königin sieht gar nicht so
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