Die Goldhaendlerin
herrschsüchtig aus.«
»Sie war drei Jahre alt, als ihr Vater Juan II. starb, und verdrängte zwanzig Jahre später ihren Bruder König Enrique vom Thron. Im selben Jahr heiratete sie Fernando von Aragon, um Spanien unter ihrem Willen zu vereinen. Wenn das nicht für ihre Herrschsucht spricht, will ich ein Franzose sein.«
Lea betrachtete die Königin genauer und musste van Haalen Recht geben. Isabella war gewiss keine Frau, die sich das Heft aus der Hand nehmen ließ. Da hätte der König schon aus härterem Holz geschnitzt sein müssen.
Die kurze Audienz war rasch vorbei. Frans von Haalen und seine Kavaliere verneigten sich mehrfach vor dem Königspaar und verließen den Kreis rückwärts gehend. Die Königin stand auf, hob noch einmal die Hand zum Gruß und stieg eine kleine Treppe hoch, die wie von Zauberhand neben ihr aufgetaucht war, und setzte sich auf ihren Zelter. Der König wartete, bis sie gut im Sattel saß, und schwang sich dann vom Boden aus mit einer kraftvollen Bewegung auf den Rücken eines unruhig stampfenden andalusischen Hengstes.
Lea sah dem Königspaar und der Schar ihrer Begleiter nach, bis sie den Hang zu dem kleinen Schloss hinaufritten, und blickte sich dann nach ihren Freunden um. Doch die waren inzwischen zu dem Pferch hinübergelaufen, um sich die Pferde anzusehen. Einzig Colombo weilte noch in ihrer Nähe. Er winkte eben einem der Edelleute zu, den Lea in der Begleitung des Königspaares gesehen hatte und der ebenfalls zurückgeblieben war. Der Mann erwiderte Colombos Gruß und kam mit sichtlicher Freude auf ihn zu.
Lea eilte an die Seite des Genuesen. »Wer ist der Herr?«
Colombo lächelte ungewohnt fröhlich. »Seine Durchlaucht, der Herzog von Medicaneli, einer der angesehensten Männer am spanischen Hof und einer der wenigen Höflinge, die ihren Kopf zum Denken benutzen und nicht nur, um ein schmuckes Hütchen darauf zu setzen.«
Lea atmete innerlich auf, und bevor der Genuese ihr mit einer sicherlich wortreichen Begrüßung zuvorkommen konnte, beugte sie ihr Haupt und sprach den Herzog an.
»Eure Durchlaucht, es ist mir eine Freude, Euch von einem gemeinsamen Freund grüßen zu dürfen.«
15.
Etwa um die gleiche Stunde, in der Lea dem Herzog von Medicaneli begegnete, stieg Orlando Terasa de Quereda y Cunjol in London an Bord des Handelsschiffs »Seagull«, das mit dem nächsten Ebbstrom die Themse hinabfahren wollte, um nach Spanien zu segeln. Oben an Deck drehte er sich um und starrte das Ufer an. Er wusste, dass es Wahnsinn war, was er tat, und die Stimme der Vernunft drängte ihn dazu, das Schiff sofort wieder zu verlassen und die Geschäftspartner aufzusuchen, bei denen er um diese Zeit hätte ankommen müssen. Doch sein Herz trieb ihn in eine andere Richtung, immer näher auf das Land zu, das er seinem Vater zufolge nie wieder betreten durfte und in dem, wenn er nicht übermenschliches Glück hatte, ein qualvoller Tod auf ihn wartete.
Orlando war sich bewusst, dass er sein Wort hätte halten können, wenn er nicht den Fehler begangen und ausgerechnet Lea dorthin geschickt hätte. Seit ihrer Abfahrt aus Antwerpen vor mehr als vier Monaten hatte er nichts mehr von ihr gehört, und es war ihm auch nicht gelungen, von den noch existierenden Handelspartnern seines Vaters eine Nachricht von ihr oder über sie zu bekommen. Dafür hatte er sichere Kunde, dass sein Onkel Baramosta mit seiner Familie immer noch im Kloster San Juan de Bereja lebte, und das hieß für ihn nichts anderes, als dass Lea gescheitert war und sich nun in den Händen der Inquisition befand.
Seit Wochen verfolgten ihn nachts die schrecklichsten Albträume, in denen Lea in düsteren Kellern gemartert wurde, bis nur noch ein zuckendes, blutiges Bündel von ihr übrig blieb, das unter dem Gejohle des Volkes an einen Pfahl gebunden und langsam verbrannt wurde. Wenn er aufwachte, hallten ihre Schreie noch in seinem Ohr, und er ekelte sich vor sich selbst. Er vermochte sich kaum noch zu rasieren, weil er seinen eigenen Anblick nicht mehr ertrug, so sehr verachtete er sich dafür, dass er eine Frau Gefahren ausgesetzt hatte, denen er sich selbst nicht hatte stellen wollen. Nein, nicht irgendeine Frau, korrigierte er sich, sondern die Frau, die er liebte.
Der Kapitän tippte ihm auf die Schulter und riss ihn für einen Augenblick aus seiner Selbstzerfleischung. »Die Flut steht hoch, Master Fischkopf. Wir werden einen starken Ebbstrom haben, der uns sicher auf das Meer hinaustragen wird.«
»Das wollen wir
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