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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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und vor allem herausfinden, wie sie Montoyas Soldaten übertölpeln konnte. Mit der hier lauernden Meute auf den Fersen war ein Entkommen unmöglich.
    Während Lea noch überlegte, hatte sie die alte, steinerne Brücke überquert und die vor dem eigentlichen Kloster gelegene Kirche erreicht, welche dem Apostel Johannes geweiht war. Da sie immer noch keine Ausrede gefunden hatte, die ihr den Zutritt zum Kloster und zu seinem Abt verschaffen konnte, betrat sie das Gotteshaus und fand sich in einem düsteren Gemäuer wieder, das nur durch ein paar schmale, bemalte Fenster hoch unter dem Dach erhellt wurde. Die dicken Mauern und das schwere Tor zeigten, dass San Juan de Bereja in einer Zeit errichtet worden war, in der die Macht der Mauren noch weit nach Norden und Osten gereicht hatte. Lea beugte am Eingang ihr Knie, bekreuzigte sich und sah sich dabei unauffällig um. Zu ihrer Erleichterung hielten sich nur ein paar ältere Frauen und zwei junge Mädchen im Kirchenschiff auf, die in ihren dunklen Kleidern und den über dem Kopf gezogenen Mantillas wie dunkle Schatten im Kirchengestühl knieten. Als sie tiefer in das Kirchenschiff hineinging, nahm sie noch einen beleibten Mönch wahr, der in einer Nische vor dem Bildnis der Jungfrau Maria kniete und inbrünstig betete.
    Als er Leas Schritte hörte, hob der Mann den Kopf, starrte sie einen Augenblick lang an, als wollte er durch ihre Kutte hindurchsehen, und stand auf. Er bekreuzigte sich noch einmal vor dem Madonnenbild und kam mit einer freudigen Miene auf den Neuankömmling zu, als hätte er ihn erwartet.
    »Buenos dias, Bruder. Du kommst wohl von weit her«, begrüßte er Lea leise. Dabei streckte er die Hand nach ihrer Kutte aus und strich über einen Riss an der Schulter, der von kunstfertiger Hand geflickt worden war. »Beim heiligen Orlando, du kommst wohl nicht zufällig in diese Gegend?«
    Lea horchte auf. Den Namen hatte der Mönch gewiss nicht ohne Grund erwähnt. Konnte sie ihm vertrauen, oder war er mit Montoyas Soldaten im Bund? Sie betrachtete sein rundes, offenes Gesicht mit den dunklen, besorgt blickenden Augen und lächelte.
    »Da keine andere Kutte zur Hand war, hat Bruder Orlando mir seine geborgt.«
    Die Pupillen des Mönches weiteten sich. »Gesegnet sei der heilige Orlando und natürlich auch die Jungfrau Maria.« Er fasste Lea am Arm und zog sie in eine dunkle Ecke. »Bei der heiligen Dreifaltigkeit, Ihr wisst nicht, wie sehnsüchtig wir auf Nachricht warten. Die Situation ist kaum noch zu ertragen.«
    »Das kann ich mir vorstellen, denn ich habe die Soldaten im Ort gesehen.«
    Der Mönch seufzte. »Sie sind vor mehr als einem halben Jahr nach Bereja gekommen, kurz nachdem einige Leute erfahren haben, welche Gäste das Kloster beherbergt.«
    Er ist vorsichtig, dachte Lea anerkennend. Da sie während ihrer vielen Reisen und über ihre ausgedehnten Geschäftsbeziehungen gelernt hatte, Menschen einzuschätzen, nahm sie an, dass der Mönch vertrauenswürdig war, und beschloss, mit offenen Karten zu spielen.
    »Don Orlando hat mich geschickt, um Baramosta und die Seinen außer Landes zu bringen.«
    »Der Madonna und allen Heiligen sei Dank! Wir haben gehofft, dass er uns nicht im Stich lässt. Kommt, ich bringe Euch zu meinem Abt. Bei San Juan, wie wird er sich über Eure Ankunft freuen.«
    Er sah sich vorsichtig um und führte Lea durch eine Seitentür in einen Gang, der Kirche und Kloster verband. Schon nach wenigen Schritten erreichten sie eine weitere Pforte, durch die man die Klostermauer passieren konnte. Dahinter öffnete sich ein Flur, der mit Szenen aus der christlichen Mythologie bemalt war und von dem Relieftüren abgingen. Vor einer von ihnen, auf der christliche Heilige wie grimmige Höllenwächter abgebildet waren, blieb ihr Begleiter stehen und klopfte an.
    Ein leises »Adelante« antwortete ihm. Der Mönch öffnete die Tür kaum mehr als einen Spalt, schob Lea hindurch und schlüpfte so eilig hinter ihr her, als hätte er Angst, mit einem unbekannten Bruder gesehen zu werden.
    Das Zimmer war sehr groß, aber mit Schränken, Regalen und anderen Möbeln so voll gestopft, das man kaum einen Schritt vor den anderen setzen konnte. Lea stieg über mehrere vom Alter dunkel gefärbte Truhen, wich einem mit Büchern beladenen Stuhl aus und stand vor dem Abt, den sie sich beim Anblick der geschnitzten Wächterfiguren ganz anders vorgestellt hatte. José Albañez war ein alter Mann mit einem faltigen, von einem inneren Feuer erleuchteten Gesicht.

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