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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kühnen Abenteuern geholfen, sich in eine andere Person zu verwandeln. Ein Lächeln huschte über Leas Gesicht, als sie sich Orlando in Frauenkleidern vorstellte. Wenn er sein Bärtchen abrasierte, sein Gesicht mit einer der Pasten dunkler färbte und die in die Bluse eingewickelte Perücke aufsetzte, würde er durchaus glaubhaft eine Frau darstellen können.
    Nachdenklich blickte sie aus dem Fensterschlitz, durch den man nur auf ein anderes Dach sehen konnte. Trotz seines christlichen Namens und der Tatsache, dass ihn ein Priester getauft hatte, war Orlando ein Jude geblieben, der der Gewalt der Mächtigen mit Scharfsinn und List zu begegnen wusste. Das war auch die einzig wirksame Waffe, über die sie selbst verfügte, und sie würde sie einsetzen. Mit diesem Vorsatz packte sie die Kleidungsstücke wieder ein und machte es sich gemütlich.

6.
    Zwei Tage später erreichte Lea die kleine Stadt Almansa und bog dort nach Westen auf den Karrenweg ab, der in das Dorf Bereja und das in der Nähe liegende Kloster von San Juan führte. Die Berge, die den Ort umgaben, waren etwa so hoch wie die Gipfel des heimischen Schwarzwalds, wirkten jedoch wie viele andere hier schroffer und abweisender, und die Wege waren kaum besser als Ziegenpfade. Am Vortag hatte es heftig geregnet, und es kamen noch immer Schauer herunter, so dass Cerezas Hufe bis zu den Knöcheln im Schlamm versanken und sie nur im Schritt gehen konnte.
    Lea hatte sich in den festen Mantel gehüllt, der bei besserem Wetter an den Sattel geschnallt wurde, und war doch bis auf die Haut nass geworden. Hemd und Wams klebten ihr am Körper, so dass ihr Busen in dem Moment, in dem sie den Mantel auszog, trotz des Bandes und der Stoffschichten darüber zu erkennen sein würde. Für einige Augenblicke war sie nicht sicher, wie sie weiter vorgehen sollte. Vor allem im Kloster wäre es fatal für sie, wenn man sie als Frau entlarven würde. San Juan de Bereja war ein Männerkloster und weiblichen Personen der Zutritt bei strenger Strafe verboten. Lea ging noch einmal ihre Möglichkeiten durch und schüttelte ihre Verzagtheit mit einer entschlossenen Geste ab. So lange wie diesmal hatte sie ihre Maske noch nie aufrechterhalten, und sie würde ihr Vorhaben nicht durch eine Dummheit oder Unvorsichtigkeit gefährden.
    Als sie in einem kleinen Weiler unweit Berejas eine bescheidene Osteria entdeckte, kehrte sie ein und stellte ihr Pferd unter. Für eine Hand voll Maravedis bekam sie ein Schlafzimmer für sich allein, in dem sie sich trockenreiben und umziehen konnte. Dann bestellte sie sich ein Mahl aus scharf gewürztem Lammfleisch und Weizenmehlklößen und spülte es mit frischem Wein aus dieser Gegend hinunter. Sie schlief lange in dieser Nacht und wurde zum ersten Mal seit langem nicht von Albträumen gequält. So wachte sie wohlgemut auf und zog sich rasch an, um so schnell wie möglich aufbrechen zu können. Doch ein heftiger, lang anhaltender Schauer hielt sie in ihrer Unterkunft fest, so dass sie sich erst im Lauf des Nachmittags auf den Weg zum Kloster machen konnte. Zum Glück nieselte es jetzt nur noch ganz leicht, und so blieb das Bündel, das sie unter dem Arm trug, trocken.
    Oberhalb von Bereja erstreckte sich ein Pinienhain, der ihr die Gelegenheit gab, sich umzuziehen. Als kastilischer Edelmann betrat sie den Schatten der Bäume, als Bernhardinermönch verließ sie ihn wieder. Sie stellte erleichtert fest, dass ihre Verkleidung gut gewählt war, denn in den Gassen des Ortes lungerten Männer in den Farben Montoyas herum und beäugten misstrauisch jeden Fremden. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wanderte Lea ganz gemächlich die Straße entlang und machte sich, da alles so gut ging, schließlich den Spaß, dem Soldaten, der auf sie zukam, mit salbungsvoller Stimme den Segen zu erteilen. Der Mann schlug unwillkürlich das Kreuzzeichen und vergaß ganz, den Fremden nach seinem Woher zu fragen.
    Das Kloster befand sich kaum mehr als einen Steinwurf vom Ort entfernt am anderen Ufer des Rio Grande, einem ruhig fließenden Gewässer, das seinem Namen keine Ehre machte. In Leas Plänen spielte der kleine, aber mit Booten zu befahrende Fluss eine wichtige Rolle, denn er mündete etwa zwölf Léguas weiter in den Rio Júcar, der nach weiteren elf oder zwölf Léguas bei Cullerà ins Meer floss. Mit etwas Glück und Gottes Hilfe würden die Flüchtlinge die Küste eher erreichen als die Nachricht von ihrer Flucht. Doch vorher musste Lea mit Baramosta sprechen

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