Die Goldhaendlerin
roten Band umwickeltes Bündel heraus, das er an Lea weiterreichte. »Hier sind Eure Schreiben.«
Lea riss mit bebenden Händen das Band herunter und atmete auf, als sie sah, dass zwei der Briefe von Orlando stammten. Ohne auf den Bankier zu achten, brach sie die Siegel auf und faltete die Blätter auseinander. In dem ersten, den er ihr wohl schon von Antwerpen aus nachgesandt hatte, gab er ihr in dem von den jüdischen Händlern im Reich verwendeten Code eine Beschreibung, wie sie am besten zum Monasterio von San Juan de Bereja gelangte, und warnte sie dabei eindringlich vor allen möglichen Gefahren. Der andere Brief war eine Geldanweisung auf eine Summe von eintausend Gulden, mit denen sie ihre Auslagen begleichen sollte. Lea reichte dieses Schreiben an Señor Barillo weiter. Der warf einen Blick darauf und befahl dann dem Kommis, der ihnen gefolgt war, die Summe bereitzustellen. Dann wandte er sich wieder Lea zu.
»Ihr könnt über noch höhere Summen verfügen, Don Léon. Ich habe ebenfalls einen Brief von Don Orlando Terasa erhalten, in dem er Euch seine sämtlichen Einlagen in unserem Bankhaus zur Verfügung stellt.«
Konnte es sich um jene Vermögen handeln, welche der Herzog von Medicaneli für seine Hilfe von ihr gefordert hatte? fragte Lea sich. Die Summe, die ihr Barillo auf ihre Frage hin nannte, war atemberaubend hoch. Da kamen all die Gelder nicht mit, die sie sich in den letzten sechs Jahren erarbeitet hatte.
»Wenn ich mehr brauche, werde ich es Euch wissen lassen, Señor Barillo«, sagte sie, nachdem sie sich gefasst hatte. »Zum jetzigen Zeitpunkt wäre mir jedoch mehr mit Auskünften gedient. Wisst Ihr, ob sich ein genuesischer Schiffer mit Namen Ristelli noch in Alicante befindet?«
»Si, das tut er. Wenn Ihr jetzt aus dem Fenster blickt, könnt Ihr ihn sogar kommen sehen.«
Lea eilte ans Fenster und sah hinaus. Der einzige Passant, der auf das Haus zusteuerte, war ein breitschultriger Mann mit Hosen, die um die Hüften und die Oberschenkel flatterten, unter dem Knie jedoch zusammengebunden waren, einem bis knapp über die Taille fallenden braunen Wams und einer fleckigen Filzkappe, deren ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Sein Gesicht war von der Sonne verbrannt, und über die Wange zog sich eine fingerlange, rote Narbe. Mit seinem kurz gehaltenen, ergrauenden Bart und flinken Augen, denen nichts zu entgehen schien, wirkte er eher wie ein Pirat als wie ein ehrlicher Handelskapitän. Lea schob dieses Vorurteil sofort beiseite. Um Flüchtlinge aus Spanien hinauszuschmuggeln, brauchte es Männer, die bereit waren, dem Teufel in die Suppe zu spucken. Orlando hielt Ristelli für zuverlässig, und bisher hatte er sich Leas Erfahrung zufolge noch nie geirrt.
»Ich würde mich freuen, ein paar Worte mit dem Capitan sprechen zu können.«
»Señor Ristelli wird sich noch mehr freuen. Seit er hier in Alicante eingelaufen ist, hat er fast jeden Tag nach Euch gefragt, Don Léon.« Barillo hatte die Worte kaum ausgesprochen, als es im Vorraum laut wurde.
»Saint Jacques ist hier? Ich will ihn sofort sprechen!«, vernahm Lea eine harte, abgehackt klingende Stimme. Sie machte einen Schritt nach vorne, um in den Vorraum zurückzukehren, doch Barillo hielt sie zurück und eilte selbst hinaus. Lea hörte, wie er Ristelli schmeichelnd zu beruhigen suchte, dann öffnete sich die Tür erneut, und der Seekapitän stampfte breitbeinig hinein. Beim Anblick von Léon de Saint Jacques riss er die Augen auf. »Seit wann schickt Orlando Kinder, um Männerarbeit zu tun?«
Es war nicht gerade die Begrüßung, die Lea erwartet hatte. Sie verbeugte sich knapp und musterte den Kapitän dann – wie sie hoffte – etwas von oben herab. »Buenos dias, Señor. Ihr seid Ristelli, der Genuese?«
»Genau und das in eigener Person. Hier, ich habe einen Brief für Euch.« Mit diesen Worten griff Ristelli in eine Tasche und holte einen schmutzigen Fetzen Papier heraus, der so aussah, als habe er als Untersetzer für einen Weinbecher gedient. Lea ergriff das Papier, klappte es auf und erkannte Orlandos Handschrift. Er wies sie an, dem Kapitän bei ihrem ersten Zusammentreffen sofort zweihundert Dukaten auszuzahlen. Ristelli starrte sie so böse an, als wolle er den Raum ohne dieses Geld nicht mehr verlassen.
»Señor Barillo, würdet Ihr bitte so gut sein, dreihundert Dukaten für den Capitan zu holen.« Lea erhöhte die Summe aus eigenem Antrieb, um Ristelli bei Laune zu halten. Das Gesicht des Genuesen hellte
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