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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mitgebracht habe. Ich bin gerade dabei, den Rock für sie zu kürzen. Elieser kann ich nur eines von Peters langen Winterunterhemden geben, denn sonst habe ich nichts für ihn. Aber wenn wir deinen Bruder in eine Decke wickeln und auf Stroh betten, dürfte er es warm genug haben.«
    Bevor Gretchen ihre Pläne noch weiter erläutern konnte, rief ihre Schwiegermutter keifend nach ihr, und sie ließ die beiden Schwestern als Opfer widerstrebender Gefühle zurück.
    Rachel stampfte mit dem Fuß auf. »Ich laufe doch nicht als Christin herum!«
    Lea zuckte mit den Schultern. »Doch das wirst du, es sei denn, du willst deine Ehre und dein Leben noch in den Mauern dieser Stadt verlieren.«
    »Und du? Willst du dich wirklich als Mann verkleiden?« Allein die Vorstellung verletzte Rachels Schamgefühl zutiefst. Gott hatte Männer und Frauen so geschaffen, dass man sie voneinander unterscheiden konnte, das gehörte zu den unumstößlichen Glaubensregeln ihres Volkes.
    Als Lea nickte, sprang sie auf, packte ihre Schwester am Mieder und versuchte, sie zu sich herabzuziehen. »Ein Weib in Männerkleidung ist ein Gräuel vor dem Herrn. Ich werde nicht zulassen, dass man deinetwegen mit dem Finger auf unsere Familie zeigt!«
    Lea löste ihre spitzen Fingernägel aus Stoff und Haut. »Willst du riskieren, dass uns jeder Strauchdieb ins Gebüsch zerrt und jeder Stallknecht aufs Stroh? Bei Gefahr für Leib und Leben ist List erlaubt. Hat nicht auch Abraham sein Weib Sarah als seine Schwester ausgegeben, um Pharao zu täuschen, und haben nicht Judith und Deborah Männerwerk getan, um das Volk Israels zu retten?«
    Ihre Worte überzeugten Rachel nicht, aber da sie keine Antwort darauf wusste, wandte sie Lea mit einem missbilligenden Schnauben den Rücken zu und setzte sich zu Elieser. Der Junge dämmerte die meiste Zeit vor sich hin und hatte auch jetzt nichts von dem Streit zwischen seinen Schwestern mitbekommen. Rachel war sich jedoch sicher, dass er ihrer Meinung sein und, wenn er wach wurde, Lea den Kopf zurechtsetzen würde. Schließlich war er nach dem Tod des Vaters und ihres älteren Bruders das Oberhaupt der Familie, und ihre Schwester hatte ihm zu gehorchen.
    Die Nacht wollte und wollte nicht enden. Lea schlief wie die Tage zuvor im Sitzen auf den hölzernen Treppenstufen, wachte aber immer wieder auf und starrte in die Dunkelheit, die noch nicht einmal durch das Funkeln eines Sterns hinter der Fensteröffnung durchbrochen wurde. Die Schwärze, die sie umgab, durchzog auch ihre Seele und presste ihr Herz wie mit eisernen Bändern zusammen. Sie fürchtete sich vor dem Morgen und trauerte um ihren geliebten Bruder Samuel, um ihren Vater, um Gerschom und um sich selbst und ihre beiden jüngeren Geschwister. Ihr war es, als wären sie alle schon tot und trieben als bleiche, kaum noch als Menschen zu erkennende Gestalten in einem tiefen, lichtlosen Wasser.
    Als Lea die steif gewordenen Glieder streckte, wurde ihr bewusst, dass Resignation den göttlichen Geboten widersprach und ihr jede Chance nahm, den Gefahren, die nun auf sie warteten, die Stirn zu bieten. Sie kniff sich in die Arme, um sich zu beweisen, dass sie noch lebendig war, und genoss beinahe den Schmerz. Mehrmals sagte sie sich, dass sie ihre Sinne nicht von der Trauer um die Ermordeten gefangen nehmen lassen durfte, denn all ihre Sorge hatte nun ihren Geschwistern zu gelten.
    Wenn sie Hartenburg lebend mit ihnen erreichen wollte, musste sie stark sein und diese Stärke auch an Schwester und Bruder weitergeben.
    Als sie ihre Umgebung erkennen konnte, sah sie, dass Elieser wach war, und trat an sein Lager. Im Gegensatz zu den letzten Tagen jammerte und weinte er nicht, sondern starrte sie mit großen Augen an. Sie strich ihm die verschwitzten Haare aus der Stirn und erklärte ihm leise, um die Schwester nicht zu wecken, was ihnen bevorstand und was sie tun musste, um ihn aus Sarningen hinauszubringen. Im Gegensatz zu Rachel akzeptierte er ihren Entschluss, sich als Mann zu verkleiden, und bestärkte sie sogar noch.
    »Wenn wir hier bleiben, werden sie uns entdecken und uns schreckliche Dinge antun. Bitte, Lea, bring mich nach Hause! Ich weiß, dass du das kannst.«
    Er streckte den gesunden Arm nach ihr aus und sank im nächsten Moment mit einem Wehlaut zurück. »Ich habe so schreckliche Schmerzen.«
    »In Hartenburg wird sich ein Arzt um dich kümmern. Bis dahin musst du durchhalten.« Lea gab ihrem Bruder einen Schluck Mohnsaft, um seine Schmerzen zu lindern, und

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