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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sie ihr noch zu, dass nur wenige Schritte hinter einer vom Blitz getroffenen Eiche eine Quelle zu finden sei, und kletterte so flink wie ein Eichhörnchen in das Gebäude zurück. Lea überlegte einen Augenblick, warum die Frau ihnen geholfen hatte, und kam zu dem Schluss, dass sie die Unfreundlichkeit des Wirts wohl öfters ausnutzte, um sich eine kleine Mitgift zu verdienen. Da die Magd dabei aber Gefahr lief, als Diebin angeklagt, ausgepeitscht und gebrandmarkt zu werden, musste ihre Tat doch ein Werk der Barmherzigkeit sein.
    »Der Gott Abrahams, Isaaks und Israels vergelte es dir«, flüsterte Lea, während sie die Sachen im Wagen verstaute und ihn weiterschob.
    Als sie an der vom Blitz gespaltenen Eiche vorbeikamen, stellte Lea den Karren wieder ab und griff nach dem leeren Wasserschlauch, um ihn an der Quelle zu füllen. Sie hatte jedoch noch keine zwei Schritt zurückgelegt, da begann Rachel zu greinen wie ein kleines Kind, denn sie hatte Angst, allein bei Elieser zurückbleiben zu müssen. Lea schloss die Augen, ballte die Fäuste und atmete mehrmals tief durch, um ihren Zorn zu bändigen, und für einen Augenblick verstieg sie sich zu dem Wunsch, sie hätte ihre Schwester gar nicht erst zu Gretchen mitgenommen. In ihrem Egoismus machte Rachel nicht nur ihr das Leben schwer, sondern gefährdete auch Elieser, der jetzt mit aufgesprungenen Lippen vor sich hinweinte, weil sie den größten Teil des Wassers aus dem Schlauch für sich beansprucht hatte. Dann dachte Lea daran, was die Mörder ihres Vaters ihrer Schwester angetan hätten, und bekam ein schlechtes Gewissen.
    Sie biss die Zähne zusammen und deutete auf eine Gruppe Wanderer, die den Weg hinaufkamen. »Willst du die Leute dort auf uns aufmerksam machen? Pass auf: Wenn dir einer von denen zu nahe kommt, hustest du zum Gotterbarmen, als wärest du schwer krank, sagst aber kein Wort. Hast du mich verstanden?«
    Rachel schüttelte den Kopf und protestierte heftig, verstummte aber, als ihre Schwester sich ohne weiteren Kommentar umdrehte und in das Halbdunkel zwischen den Büschen hineintauchte.
    Schon nach wenigen Schritten vernahm Lea das Geräusch fließenden Wassers und traf auch bald auf ein winziges Rinnsal, das aus einer kaum mannshohen Felswand austrat, über ein paar Steine sprang und sich im sumpfigen Waldboden verlor. Das Wasser war kalt und tat gut. Nachdem Lea genug getrunken hatte, füllte sie den Schlauch und lief zurück zur Straße, wo Rachel sich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt an den Karren klammerte.
    Die Wanderer waren den beiden Kranken in weitem Bogen ausgewichen und kamen langsam außer Sicht. Als Lea keine fremden Blicke mehr auf sich gerichtet sah, nutzte sie das rasch schwindende Tageslicht, um Elieser zu säubern, seine Verbände zu erneuern und ihm mit Wasser gemischten Wein und den Rest der kalten Suppe einzuflößen. Zu ihrer nicht geringen Freude hatte der Junge immer noch Hunger, und so tauchte sie ein Stück des noch warmen Brotes in den Wein und fütterte ihn damit. Sie selbst begnügte sich mit zwei, drei Bissen und gab auch Rachel, die Gretchens Brot fast alleine aufgegessen hatte, nur ein kleines Stück ab. Die Wurst, die aus Schweineblut und Grieben gemacht war, warf sie nicht ohne Bedauern tief ins Gebüsch.
    Als der Mond aufging, erreichten sie ein Haus, das im spärlichen Licht wie eine Räuberhöhle wirkte, aber eine Herberge für ärmere Reisende zu sein schien. Unter einfachen Schutzdächern standen die bunt bemalten Wagen des fahrenden Volkes neben ähnlichen Handkarren, wie Lea ihn schob. Dazwischen nächtigten Kiepenhändler, die ihren spärlichen Besitz noch im Schlaf umklammert hielten.
    Lea wollte schon erleichtert aufatmen, weil sie doch noch einen sicheren Platz für die Nacht gefunden hatten, aber da stand der Knecht auf, der das kleine Wachfeuer mitten im Hof in Gang hielt, und kam mit einem brennenden Ast in der Hand auf sie zu. »He! Ihr seid doch die mit der Seuche! Hier könnt ihr nicht bleiben. Verschwindet gefälligst, ehe ihr unsere Gäste in Gefahr bringt.«
    Lea sah zum Himmel, über den immer dichtere Wolken zogen.
    Es braute sich ein Unwetter zusammen, das sich wohl noch in der Nacht entladen würde. Daher hob sie bittend die Hände und wollte etwas sagen. Eine rundliche Frau, die gerade aus dem Haus trat und ihrer Kleidung nach die Wirtin sein musste, scheuchte den Knecht weg und musterte Lea von Kopf bis Fuß.
    »Wenn ihr euch von den anderen fern haltet, könnt ihr für sechs

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