Die Goldhaendlerin
Pfennige in dem Verschlag dort hinten übernachten. Eine Suppe kostet noch einmal sechs Pfennige, und Wasser müsst ihr draußen am Bach schöpfen, denn ich will nicht, dass ihr mir den Brunnen verseucht. Legt das Geld hier in die Schale, oder zieht weiter.«
Zwölf gute Pfennige für einen Verschlag und einen Napf dünner Suppe waren ein unverschämt hoher Preis, aber Lea hatte keine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen, da sie Elieser keinem Wolkenbruch aussetzen durfte. So zählte sie die Münzen ab und schob ihren Karren auf den von der Wirtin bezeichneten Schuppen zu, der schon von außen durchdringend nach Ziegen roch. Die Laubschütte war jedoch noch frisch, und Lea sagte sich, dass sie froh sein konnte, nicht in einem Schweinekoben übernachten zu müssen. Im Westen gewitterte es bereits heftig, und der Wind, der kurz vorher eingeschlafen war, kehrte als Sturm zurück und riss trockenes Geäst aus den Baumkronen.
Die Magd, die ihnen die Suppe und drei trockene Kanten Brot brachte, trug einen triefend nassen Regenschutz aus Stroh, der sie wie eine wandelnde Vogelscheuche aussehen ließ.
Das Mädchen zeigte keine Scheu vor der angeblichen Seuche, sondern bedankte sich mit guten Wünschen für die Münze, die sie als Trinkgeld erhielt. Zu Leas Verwunderung enthielt die alte Schüssel, die sie ihnen hingestellt hatte, keine dünne Suppe, sondern einen warmen, nahrhaften Eintopf der sie alle drei sättigte. Lea hatte kaum den letzten Bissen über die Lippen gebracht, als sie schon einschlief, obwohl Rachel bei jedem Blitz und jedem Donnerschlag aufschrie und Elieser mit ihrem Gejammer ansteckte.
Am nächsten Morgen wurden sie durch das Rascheln dicker Tropfen auf dem Strohdach geweckt. Als Lea den Kopf ins Freie steckte, war die Welt um sie herum in ein abweisendes Grau gehüllt, und kalter Regen prasselte auf das Land. Die Magd brachte ihnen Frühstück, das aus einem Stück Brot, einem Brocken rissigem Käse und saurem, mit Wasser vermischtem Wein bestand, und bot ihnen gegen ein paar Heller drei Strohumhänge an, wie sie selbst einen trug. Lea hatte schon überlegt, an diesem Tag in der Herberge zu bleiben, doch die Angst, als Jüdin erkannt zu werden, trieb sie weiter. So nahm sie das Angebot des Mädchens an, doch als sie den Rest ihrer Barschaft wegsteckte, wurde ihr klar, dass sie die letzten Tage der Reise entweder hungern oder im Wald würden übernachten müssen.
Bald erwies sich der Strohumhang, den sie über Elieser gebreitet hatte, als zu dünn, und so brach Lea unterwegs noch ein paar dicht belaubt Zweige ab, um den Schutz zu verstärken. Das überhängende, ständig rutschende Grün machte es nicht gerade leichter, den Wagen durch den Schlamm zu schieben, aber Rachel, die in einem fort über den Weg und das Wetter schimpfte und sich beklagte, fasste zu Leas Verwunderung tatkräftig mit an.
An diesem Tag fanden sie keine Unterkunft, und es gab auch keinen Bauernhof in der Nähe, bei dem sie etwas zu Essen hätten kaufen können. Daher entschlossen sie sich, für die Nacht in einer halb verfallenen Hütte am Ufer eines Baches Unterschlupf zu suchen. Es roch durchdringend nach Schweinen, aber das Dach war dicht, und da es wie aus Kübeln goss, blieb ihnen keine andere Wahl. Um ihren völlig ausgekühlten Bruder zu wärmen, bereitete Lea aus dem trockenen Stroh, das sie auf dem Astgeflecht unter dem Dach fand, ein Lager und hob ihn ohne Rachels Hilfe vom Karren herab. Sie musste ihre Schwester jedoch nicht zwingen, sich eng an Elieser zu schmiegen, denn das Mädchen klapperte selbst mit den Zähnen. Als sie zu dritt unter dem Sack lagen, den Peter Pfeiffer ihnen als Decke für Elieser mitgegeben hatte, seufzte der Junge tief und beinahe zufrieden auf und schlief ohne Mohnsaft ganz ruhig ein.
Als sie am nächsten Morgen weiterzogen, weinte Rachel vor Hunger und Erschöpfung und hatte keine Kraft mehr, den Karren zu schieben. Zu Leas Erleichterung klarte das Wetter jedoch rasch auf. Die tief hängenden Wolken verzogen sich, und die Sonne schien zunächst noch zaghaft, später aber mit voller Glut vom Himmel. Die Wärme tat ihren durchgefrorenen Gliedern gut, und sie kamen nun auch schneller voran.
In der nächsten Herberge wurden sie zu ihrer Verwunderung recht freundlich empfangen. Die Wirtsleute wiesen ihnen eine der Bänke vor dem Unterstand für die Zugochsen an, wo auch die Fuhrknechte saßen, und servierten ihnen für ein paar Pfennige zwei große Teller Eintopf und einen halben Laib
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